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Justiz-Knatsch: Regierungsrat erteilt Leitendem Oberstaatsanwalt einen Verweis
Ein Terminstreit zwischen der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und dem Obergerichtist völlig eskaliert. So sehr, dass der Regierungsrat nun einen Verweis in dieser Sache ausspricht.
Von vorne: Im Sommer 2023 kam es zu einer Berufungsverhandlung am Obergericht. Es ging um den Fall eines jungen Sri Lankers, der mit 19 eine einvernehmliche Sexbeziehung mit einer 14-Jährigen hatte. Die Staatsanwaltschaft erschien nicht zur Berufungsverhandlung – mit der Konsequenz, dass ihre Anschlussberufung wegfiel und damit weder eine härtere Strafe noch ein Landesverweis ausgesprochen werden konnte. Der Terminverweigerung vorausgegangen war ein zunehmend hitzig geführter Streit per E-Mail zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht wegen einer Terminkollision.
Weil das Obergericht auf das Terminverschiebungsgesuch letztlich nicht einging, schwänzte die Staatsanwaltschaft den Gerichtstermin bewusst. Im Wissen darum, dass die Anschlussberufung damit wegfällt. Das Obergericht büsste die Staatsanwältin und schrieb im Urteil: So etwas sei «in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel». «Das bewusste Nichterscheinen» der Staatsanwältin «mutet geradezu querulatorisch an», sie habe sich nicht bemüht, «im Sinne eines guten Zusammenspiels der Akteure einer funktionierenden Justiz» an der Berufungsverhandlung teilzunehmen oder eine Stellvertretung zu finden.
Das Bundesgericht strich die Busse schliesslich wieder, weil nicht die Staatsanwältin als spezifische Person, sondern die Staatsanwaltschaft an sich vorgeladen worden war. Dennoch hat das Scharmützel nun Konsequenzen.
Der Regierungsrat eröffnete im August 2024 ein Disziplinarverfahren gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht. «Die Untersuchung hat ergeben, dass das Verhalten des Leitenden Oberstaatsanwalts in objektiver und subjektiver Hinsicht eine nicht hinzunehmende Dienstpflichtverletzung darstellt und er damit seine Sorgfalts- und Treuepflicht verletzt hat», heisst es in der Medienmitteilung, die der Regierungsrat am Freitag verschickte.
Und weiter: «Die Pflichtverletzung kann unter Berücksichtigung seiner besonderen Vertrauensstellung und Verantwortung und seiner Führungsfunktion nicht mehr als leicht taxiert werden, zumal ihm die Rechtsfolgen eines Nichterscheinens an der Verhandlung vor dem Obergericht im Zeitpunkt des Entscheids, nicht an der Verhandlung teilzunehmen, bekannt waren.»
Das pflichtwidrige Verhalten habe «eine gewisse Erheblichkeit» und sei disziplinarrechtlich relevant. «In Abwägung aller zu berücksichtigenden Faktoren erachtet der Regierungsrat die Erteilung eines Verweises als angemessen», heisst es.
Regierungsrat Dieter Egli, Vorsteher des Departements Volkswirtschaft und Inneres, hatte die Mails zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht teilweise in Kopie ebenfalls erhalten, aber nicht unmittelbar eingegriffen. Er erteilte jedoch bereits im September 2023 eine Weisung betreffend «Terminsuche für Verhandlungen vor Gerichten».
Darin steht, dass «Termine in erster Linie einvernehmlich vereinbart werden sollen». Und: «Hält das Gericht an Verhandlungsterminen fest, obwohl ihm mitgeteilt worden ist, dass die zuständige Staatsanwältin respektive der zuständige Staatsanwalt an diesem Termin unabkömmlich sei, respektive nachdem ein erfolgloses Verschiebungsgesuch gestellt worden ist, sind diese in jedem Fall durch eine Stellvertretungsperson wahrzunehmen.»
Weiter hielt Egli im Schreiben an Philipp Umbricht und dessen Stellvertreter fest: Sollten sich «grundsätzliche Probleme in der Zusammenarbeit» zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht zeigen, seien diese ihm zu melden.
Update folgt..