
«Kein Täter wäre so doof und würde sein Opfer nach Hause nehmen»: So urteilt das Gericht nach Vergewaltigungsvorwurf
Während draussen Fasnächtlerinnen und Fasnächtler mit ihren Trommeln durch die Gassen von Laufenburg ziehen, ist unweit im Gerichtssaal des Bezirksgerichts düstere Stimmung. Denn auf der Anklagebank sitzt ein bald dreissigjähriger Mann, dem Schändung, Vergewaltigung und Beschimpfung vorgeworfen wird. Der Grund, weshalb er dort sitzt, hat aber ebenfalls mit den Geräuschen im Hintergrund zu tun.
An einer Fasnachtsparty in Deutschland, nahe der Schweizer Grenze, lernte er im Januar 2024 eine junge Frau kennen. Die beiden verstanden sich zur späten Stunde gut, hatten es lustig, wie beide unabhängig voneinander vor Gericht aussagen. Beim weiteren Verlauf des Abends aber gehen die Aussagen der beiden weit auseinander und das ist der Grund, weshalb es zur Verhandlung kommt.
Nach ein paar Stunden klagte das Opfer über Erinnerungslücken. «Ich war angetrunken, aber nicht betrunken, denn ich verliere nicht gerne die Kontrolle», sagt sie. Den plötzlichen Gedächtnisverlust kann sie sich nicht erklären. Der Beschuldigte nahm sie schliesslich mit dem Taxi nach Hause in die Schweiz. Zu den letzten Metern zu Fuss sagt sie: «Er hat mich wie ein bockiges Kind mitgezogen.»
Vom fröhlichen Abend zur Tragödie
Die nächste Sequenz, an die sie sich erinnern könne, ist als er beim Geschlechtsverkehr auf ihr lag. «Erst dann habe ich es realisiert», sagt sie vor Gericht. Der Beschuldigte wurde handgreiflich. Danach liess er von ihr ab und habe sie weiter beschimpft, bevor sie den Heimweg antrat. Ihre Erlebnisse schilderte sie in einem Brief im November detailreicher, welchen ihr Anwalt in seinem Plädoyer vorlas.

Symbolbild: Depositphotos / Rheintaler
«Während des Vorfalls hatte ich Angst und Taubheitsgefühle. Auf dem Weg zum Taxi hatte ich die erste Panikattacke», schreibt sie in diesem Brief. «Zu Hause habe ich mich mehrmals übergeben.» In den ersten Wochen konnte sie nicht allein schlafen. Ihr Anwalt fordert für sie Schadenersatz und Ersatz des Lohnausfalls.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten, 12 davon soll er im Gefängnis absitzen. Weiter soll er zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 80 Franken in einer Probezeit verurteilt werden. Dazu soll ein Landesverweis und ein Tätigkeitsverbot kommen. «Was als fröhlicher Abend begann, endete für die Privatklägerin als Tragödie», sagt die Staatsanwältin und fügt hinzu: «Der Beschuldigte hat den benommenen Zustand zur eigenen sexuellen Befriedigung ausgenützt», sagt sie.
Freispruch, weil die Beweise fehlen
Die Version des Beschuldigten sieht ganz anders aus. Der bald 30-Jährige wollte nach Hause und nahm deshalb ein Taxi. Das Opfer folgte ihm und setzte sich zu ihm ins Fahrzeug. Sie seien super drauf gewesen und hätten dann zu Hause Sex gehabt. «Wir haben beide nicht auf die Verhütung geachtet», sagt er und bedauert diesen Fehler. Der gebürtige Portugiese ist in Deutschland aufgewachsen und lebt heute in der Schweiz. Ein Landesverweis würde ihm «alles nehmen».
Der Verteidiger plädiert auf Freispruch, da harte und objektive Beweise fehlten. Er hat eine Aussage des Taxifahrers, der sagt, dass ihm das Opfer nicht betrunken vorkam und freiwillig einstieg. «Kein Täter wäre so doof und würde sein Opfer nach Hause nehmen», sagt er. Für mögliche K.-o.-Tropfen für die Erinnerungslücken gab es keine Nachweise.
Im letzten Wort beteuert der Beschuldigte seine Unschuld: «Ich würde so etwas nie machen», sagt er. Das Gericht folgt seinem Verteidiger und spricht den Beschuldigten in allen Punkten frei. Der Grund ist, dass weiter vieles im Dunkeln bleibe und sie im Zweifel für den Beschuldigten entscheiden müssen. Dennoch sagt der Gerichtspräsident: «Was in dieser Nacht passiert ist, war unverantwortlich.»