
Nach Konkurs von Medical Help: Zwei Grossräte wollen, dass Patienten einfacher zu ihren Dossiers kommen
Wenn ein Linker und ein Liberaler zusammen einen politischen Vorstoss einreichen, muss es irgendeine Gemeinsamkeit geben. Bei den Grossräten Severin Lüscher (Grüne) und Thomas Ernst (FDP) ist es der Beruf: Beide sind Ärzte. Lüscher betreibt eine Hausarztpraxis in Schöftland, Ernst präsidiert den Aargauischen Ärzteverband (AAV). Zum «Teamwork» bewogen hat sie das Thema Patientenakten.
Mitte Februar wurde bekannt, dass sich die Medical Help AG in Konkurs befindet. Die Firma betrieb bis vor kurzem vier Praxen im Kanton Aargau, je zwei in Aarau und Zofingen. Die Praxis an der Buchserstrasse in Aarau wurde kurzerhand geschlossen, ein Zettel an der Tür wies auf das Konkursverfahren hin. Auch in Zofingen hatten Patienten regelmässig Probleme, die Praxis zu erreichen.
In einer Mitteilung des Kantons hiess es, dass in den folgenden Wochen das Verfahren für die Herausgabe der Patientenakten geklärt werde. Die Verantwortung für die Aufbewahrung und Herausgabe der Patientenakten liege aber nicht bei der aargauischen Sektion Bewilligungen und Aufsicht. Dafür seien weiterhin die Ärztinnen und Ärzte der betroffenen Patienten respektive das Konkursamt zuständig.
Für Severin Lüscher und Thomas Ernst ist das unbefriedigend. Wie bereits 2020 beim Konkurs der Kette «Mein Arzt»stünden auch diesmal die betroffenen Patientinnen und Patienten von einem Tag auf den anderen vor verschlossenen Türen, heisst es in der am Dienstag eingereichten Interpellation. «Zugriff auf ihre Krankengeschichten und aktuellen Behandlungen unmöglich, ablaufende Rezepte nicht erneuerbar», schreiben die beiden Grossräte. Die Rechtsbelehrung des Kantons wirke in dieser Situation «hilflos» und nütze den Betroffenen nichts.

Bild: Severin Bigler
Die Herausgabe von Patientendaten sicherstellen
Ziel des Vorstosses sei es, «die aktuelle Regelung bezüglich Praktikabilität, Um- und Durchsetzung zu durchleuchten und allfällige Verbesserungsmöglichkeiten in puncto Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Patientendaten auch in Ausnahmesituationen wie Konkursen oder Praxisaufgaben zu identifizieren», so Lüscher und Ernst.
Unter anderem wollen sie vom Regierungsrat erfahren, wie er sicherstellen will, dass Patientendaten auch nach einer Betriebsschliessung oder dem Ausscheiden von Gesundheitsfachkräften verfügbar und zugänglich bleiben. Ausserdem wollen sie wissen, welche Massnahmen getroffen werden können, um im Falle eines Konkurses die Herausgabe von Patientendaten sicherzustellen.
Im Zeitalter digitaler Datenspeicherung sei der Zugriff auf die Patientenakten an andere technische Voraussetzungen gebunden als zu Zeiten der papierbasierten Aktenführung. «Inwiefern wurde die praktische Anwendung der offensichtlich unveränderten rechtlichen Grundlagen dieser Entwicklung angepasst?», wollen Lüscher und Ernst weiter wissen.

Bild: zvg
Aufbewahrungspflicht von Ärzten auf Patienten übertragen?
Weiter fragen die beiden Ärzte, wie viele An- oder Rückfragen der Kantonsärztliche Dienst im Zusammenhang mit Begehren um Herausgabe von Patientenakten bearbeite – «und mit welchem Erfolg?»
In Hinblick auf das elektronische Patientendossier wollen sie zudem wissen, was die Aargauer Regierung davon hält, die Aufbewahrungspflicht für Patientendaten von den Ärzten auf die Patienten zu übertragen.
Zuletzt wollen sie in Erfahrung bringen, ob eine zentrale Stelle eingerichtet werden könnte, beispielsweise beim Kantonsarztamt. Dort könnten die Patientendaten hinterlegt werden, um deren Auffindbarkeit und Zugänglichkeit für die Patientinnen und Patienten langfristig zu gewährleisten. Ob das für die Regierung eine Option ist, wird sich in ein paar Monaten zeigen, wenn die Antwort vorliegt.