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Schweizer Party in Holland: Gold für Angelica Moser, Silber für Annik Kälin und Simon Ehammer

Innerhalb einer halben Stunde feiert die Schweizer Leichtathletik am Samstagabend an den Hallen-Europameisterschaften den Gewinn von drei Medaillen. Verantwortlich dafür ist ein Trio, das gelernt hat, mit der Favoritenrolle umzugehen.

Auf seiner Ehrenrunde nach dem Siebenkampf umarmt Simon Ehammer Stabhochspringerin Angelica Moser. Annik Kälin bereitet sich zehn Meter daneben auf ihren zweitletzten Sprung vor. Am Morgen der Schweizer EM-Party gehen die Zimmerkolleginnen Kälin und Moser gemeinsam spazieren und versuchen, gegenseitig die aufkommende Nervosität zu vertreiben. Es ist ein Hauch von Teamwork spürbar an diesem wunderbaren Schweizer Leichtathletik-Abend in Apeldoorn.

Das Schweizer Power-Trio freut sich nicht nur über die erhofften, wenn nicht sogar erwarteten eigenen Medaillen, es würdigt auch das Gesamtkunstwerk der Schweizer Leistungen. Simon Ehammer sagt, es sei nicht nur «toll für uns, sondern auch für die vielen Jungen in der Schweizer Leichtathletik. Es ist heute unter ihnen normal, gross zu denken, so wie ich es auch getan habe.»

Angelica Moser sagt, es sei cool, die Freude mit anderen teilen zu können. Und Annik Kälin schwärmt von der Coolness ihrer Zimmerkollegin: «Immer wenn es zählt, macht es Angelica im ersten Versuch». Was an diesem Abend übrigens auch für sie selbst galt. Das Schweizer Team bestehe noch immer aus vielen jungen Athletinnen und Athleten, die sich gemeinsam fast schon beängstigend schnell entwickelt haben. Wir lernen voneinander, «noch grösser zu denken».

Angelica Moser wird der Favoritenrolle gerecht

Angelica Moser holt nach dem EM-Titel 2024 in Rom nun auch Hallen-Gold. Keine Konkurrentin kann die Zürcherin auf ihrer Siegeshöhe von 4,80 m herausfordern. Zuvor war es eine Art abtasten. Auch Moser muss auf zwei Höhen doppelt Anlauf nehmen, bis sie diese überwindet. Nicht aber auf ihrer Siegeshöhe. Damit egalisiert sie den Schweizer Hallen-Rekord.

Die 27-Jährige sagt, sie könne erstaunlich gut mit der Favoritenrolle umgehen. Die Nervosität habe sich in Grenzen gehalten. Nun will Moser in zwei Wochen an der Hallen-WM auch die weltbesten Springerinnen herausfordern. Nach ihrem vierten Rang bei den Olympischen Spielen in Paris hat sie noch eine Rechnung offen.

Annik Kälin klatscht nach ihrem Rekordsprung auf 6,90 m mit Vater und Coach Marco ab.
Bild: Michael Buholzer / KEYSTONE

Annik Kälin fliegt im ersten Versuch zum Schweizer Rekord

Annik Kälin schockt die Konkurrenz bereits mit ihrem ersten Sprung. 6,90 m leuchtet auf der Anzeigetafel in der Halle auf. Das ist neuer Schweizer Rekord. Und auch wenn sich die 24-jährige Bündnerin diese Weite aufgrund der Trainingsleistungen zutraute, sei sie im ersten Moment doch etwas perplex gewesen.

Überflügelt wird die gelernte Mehrkämpferin im Verlauf des Wettkampfs nur noch von der italienischen Spezialistin Larissa Iapichino, um läppische vier Zentimeter. Die grosse Favoritin Malaika Mihambo aus Deutschland, immerhin mit Olympia-Gold und zwei WM-Titeln geadelt, kommt hingegen nicht mehr an Kälins Weite heran.

Sie sehe sich an einem solchen Tag als Weitspringerin und nicht als Mehrkämpferin, die Weitsprung macht. Der einzige grosse Unterschied zu ihrem Leben im Siebenkampf sei das lange Warten auf den Wettkampf, der in Holland erst abends um halb neun beginnt. «Im Mehrkampf ist man sich gewohnt, früh aufzustehen. Hier hat man den ganzen Tag Zeit, um nervös zu werden», sagt Kälin. Früh aufstehen gilt für sie wieder an der WM in China. Dort setzt Simon Ehammer auf den Weitsprung und Annik Kälin umgekehrt auf den Mehrkampf. Erneut mit einem Schweizer Rekord auf ihrer To-do-Liste.

Simon Ehammer: Gerne hätte er gewonnen, aber vorzuwerfen hat er sich nichts.
Bild: Michael Buholzer / KEYSTONE

Ehammer rechnet schon den nächsten Sieg aus

Simon Ehammer sagt, er habe sowohl Silber gewonnen wie Gold verloren. Obwohl er im Duell mit dem Norweger Sander Skotheim unterlegen ist, war der Zufriedenheitsfaktor beim Appenzeller Mehrkämpfer hoch. Das liegt auch daran, wie er den Siebenkampf beendet hat. Ausgerechnet in seiner üblicherweise schwächsten Disziplin, dem 1000-m-Lauf, wächst Simon Ehammer über sich hinaus. Er verbessert mit 2:41.76 seine persönliche Bestzeit um beinahe fünf Sekunden. Erstmals habe sich das Laufen in einem wichtigen Wettkampf nicht unbedingt wie eine Qual angefühlt, sagt er.

Mit total 6506 Punkten realisiert der 25-jährige Appenzeller nach zwei tollen Tagen ohne Durchhänger einen neuen Schweizer Rekord und bleibt auch über dem bisherigen Europarekord. Trotzdem reicht es für Weltmeister Ehammer nicht zu Gold. Der Grund heisst Sander Skotheim, Norweger, zwei Jahre jünger als Ehammer und wie der Schweizer mit einem Exploit in der ungeliebten Ausdauerdisziplin des Mehrkampfs. Skotheim geht mit einem Rückstand von 50 Punkten auf Ehammer in den 1000-m-Lauf. Doch der Wille des WM-Zweiten aus dem Vorjahr, nach insgesamt fünf Silbermedaillen in seiner Karriere endlich seinen ersten internationalen Titel zu gewinnen, treibt ihn zur Höchstleistung.

Skotheim gewinnt den letzten Bewerb in 2:32.72. Das ist ebenfalls fünf Sekunden schneller als bei seinem alten Europarekord vor einem Monat. Seine neue kontinentale Bestmarke liegt jetzt bei 6558 Punkten und wird auch für Simon Ehammer ab sofort ein Antrieb sein. Er sagt, er habe sich diese Zahl im Hinterkopf gespeichert. Zuallererst aber will er sich an seinem eigenen neuen Bestwert freuen. Ehammer ist erst der fünfte Mehrkämpfer in der Geschichte, der die Marke von 6500 Punkten knackt. «Irgendwie ist es cool und Pech, dass dies am gleichen Tag einem anderen ebenfalls gelang», sagt der Silbermedaillist.

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