
Von der Notlösung zur Lösung: So hat es Martin Pfister in den Bundesrat geschafft
Pfist-Wer? Als am 3. Februar um 9.43 Uhr ein Mail mit dem Betreff «Regierungsrat Martin Pfister kandidiert für den Bundesrat» in den Postfächern der Redaktionen eintrudelte, hat man sich von Genf bis St.Gallen – Zug ausgenommen – gefragt: «Wer ist das?» Bis wenige Stunden vor Ablauf der Meldefrist hatte sich der Zuger Gesundheitsdirektor Zeit gelassen.
Auch weil er so lange zugewartet hatte, bekam er sofort den Ruf einer Notlösung. Als der, der die Mitte-Partei vor einem Debakel bewahrt. Ohne Pfister wäre die Mitte nur mit Markus Ritter dagestanden. Eine Einerkandidatur für eine Partei, die lautstark mit einem zweiten Sitz in der Regierung liebäugelt. Das wäre eine Schmach gewesen.
Pfister wirkte wie der Winkelried, der sich für die Partei in die Speere wirft und durch eine chancenlose Kandidatur der Partei hilft, nach dem Absagereigen der vermeintlichen Favoriten einigermassen gesichtswahrend aus der Angelegenheit rauszukommen.
Oberst und Posaune
Der Regierungsrat verfestigte diesen Eindruck, indem er zuerst einmal schwieg. Erst an einer Pressekonferenz drei Tage nach Bekanntgabe der Kandidatur wolle er sich äussern. «In der Zwischenzeit beantwortet er keine Anfragen», hiess es im Mail seiner Kantonalpartei. «Vielen Dank fürs Verständnis.»
So stürzten sich die Medien auf das wenige, was es über Pfister zu erfahren gab. Klopften politische Erfolge im Kanton Zug ab (Senkung der Krankenkassenprämien). Berichteten über seine Patchwork-Familie (vier Kinder, verheiratet mit einer Brasilianerin). Durchforsteten seinen militärischen Palmarès (Oberst!). Sogar Pfisters Pfadiname fand den Weg an die Öffentlichkeit («Hecht»). Und in einer Fasnachtsmusik spielt er auch (Posaune).
Weggefährten bezeichneten Pfister als dossiersicher, umgänglich, kollegial – ein klassischer Konsenspolitiker eben. Er stelle die Sache und nie sich selbst in den Vordergrund, sei ein reflektierter, unaufgeregter Typ. So lernte die Schweiz den ausgebildeten Lehrer und studierten Historiker ein bisschen kennen, noch bevor er selbst sich offiziell geäussert hatte.
Ritter erklärte derweil auf allen Kanälen die Schweiz, die Welt und das Militär. Der St.Galler verstieg sich sogar zum Versprechen, dass er Pfister «da und dort einen guten Tipp» geben werde. Der nette Polit-Götti für den Zuger No-Name. Die Sache schien gelaufen.
Pfisters erster Auftritt vor den Medien in der Rathus-Schüür in seinem Wohnort Baar war souverän, aber harmlos, wenig angriffig, sondern brav. Er, der in Fribourg Geschichte studiert hatte, stolperte teilweise durch die französischen Fragen. Auch danach blieb er oft unverfänglich, zog auf Interview-Fragen mehrfach den Joker und gestand, dass er den Betrieb in Bern noch nicht im vollen Umfang kenne.
Vom Aussenseiter zum Favorit
Und trotzdem witterte Pfisters Umfeld Morgenluft. Während sich Ritter mit markigen Sätzen (faule Städter, Zweifel an den Fähigkeiten von Frauen für das Amt) keine neuen Freunde zu seinen zahlreichen Feinden schuf, blieb der Zuger unaufgeregt. Magistral. Ritter hatte zu allem eine Meinung. Pfister wirkte dagegen offener. Oder beeinflussbarer. Was ihn gerade für jene Kreise attraktiv machte, die sich am starken bürgerlichen Block im Bundesrat reiben.
Pfisters grösstes Plus, das wurde rasch klar, ist, dass er nicht Ritter ist. Anders als der Bauernpräsident ist er noch niemandem auf die Füsse getreten. In der Politik haben viele ein Elefantengedächtnis, und Ritter hat mit seinem Machtanspruch vielen Verletzungen zugefügt. Es dürfte wohl dem einen oder der anderen in den Sinn gekommen sein, eigene Wunden zu heilen, indem man Ritter eine Niederlage zufügt.
Plötzlich wurde Pfister gar zum Favoriten. Rechenschieber aller Art sahen den Zuger in der Gunst des Parlaments vorne. Der Regierungsrat war oft in Bern. Schüttelte Hände, führte Gespräche, war in der Wandelhalle präsent. Kein Winkelried mehr. Da hatte einer Lust auf die Schlacht bekommen.
Glücklich, überfordert und dankbar
Er wirkte gefestigter, zielstrebiger als zu Beginn. Entschlossener. Verstand es, seine eigenen Vorteile (militärische Erfahrungen, Zentralschweizer, Aussensicht) geschickt auszuspielen. Mit etwas Medientraining wurden die Antworten geschliffener, konziser und aussagekräftig. Aus der Notlösung war für viele eine mögliche Lösung geworden.
134 Parlamentarier und Parlamentarierinnen haben seinen Namen im zweiten Wahlgang auf den Zettel geschrieben. Als Pfister nach der Wahl in die Mitte des Nationalratssaals geführt wird, blickt er nach oben, nach rechts, nach links. Er wirkt – trotz beachtlicher Körpergrösse – klein. Dankbar auch. Glücklich. Und auch etwas überfordert.
«Ich schwöre es», sagt Martin Pfister bei der Vereidigung. Auf Tribüne sitzt sein Enkelkind im Windelalter. Grossvater ist Bundesrat. «Herzlich willkommen», sagt Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bei der Begrüssung mit der Gesamtregierung.
Spätestens jetzt weiss jeder und jede wer er ist. Aus «Pfist-Wer?» wird «Pfist-Er!».
Die Wahl von Martin Pfister in den Bundesrat

Bild: Anthony Anex / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Anthony Anex / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Christian Beutler / Keystone (Zug, 12. 3. 2025)

Bild: Peter Klaunzer / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Anthony Anex / Keystone (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Peter Schneider / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Peter Schneider / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Rahel Hug (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Rahel Hug (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Rahel Hug (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Mathias Blattmann (Baar, 12. 3. 2025)

Bild: Alessandro Della Valle / Keystone (Bern, 3. 12. 2025)

Bild: Stefan Kaiser (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Stefan Kaiser (Bern, 12. 3. 2025)

Bild: Stefan Kaiser (Bern, 12. 3. 2025)

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Bild: Stefan Kaiser (Zug, 12. 3. 2025)