
Schweizer Tierschutz: Die alte Garde kämpft für Schönheitskönigin
Eigentlich läuft es in den letzten Monaten gut beim krisengeschüttelten Schweizer Tierschutz (STS). Der neue Geschäftsführer Marco Mettler professionalisiert das Tagesgeschäft. Rechtsexperte Peter V. Kunz leitet eine Untersuchungskommission, welche finanzielle Unregelmässigkeiten aufarbeitet.
Der Vorstand hat ein neues Geschäftsreglement verabschiedet, das Interessenkonflikte vermeidet. Und eine Reformgruppe unter dem Basler Anwalt Jascha Schneider-Marfels verfasste neue Statuten, welche den Sektionen mehr Kompetenzen geben und eine Amtszeitbeschränkung enthalten. Aufgrund der vielen positiven Entwicklungen hat die Zewo den Verein im letzten November 2024 von der schwarzen Liste genommen, mit der sie vor Spenden an intransparente Organisationen warnt.
Ziel der tiefgreifenden Reformen ist ein Neubeginn: Die unter dem langjährigen Präsidium von Heinz Lienhard praktizierte Günstlingswirtschaft und Ämterkumulation soll gestoppt werden. Dafür will auch Peter V. Kunz sorgen, umtriebiger Katzenfreund, renommierter Professor für Wirtschaftsrecht und Spezialist für Corporate Governance: Er kandidiert als neuer Präsident und soll an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung von Samstag gewählt werden.
Westschweizer drohen, die Wahl von Peter V. Kunz zu blockieren
Doch jetzt ist erneut ein Konflikt eskaliert, welcher den Reformkurs gefährdet. Auf den Zentralvorstand werde «erheblicher Druck ausgeübt», heisst es in einem Newsletter vom Mittwoch an alle STS-Sektionen, der dieser Redaktion vorliegt: Einzelne Westschweizer Sektionen hätten angekündigt, «die Delegiertenversammlung zu stören, die Wahl von Peter V. Kunz zum Präsidenten zu blockieren und die dringend notwendige Statutenreform zu verhindern».
Im Zentrum des Konflikts steht die frühere «Miss Schweiz» Lolita Morena (65), die seit siebzehn Jahren im Vorstand sitzt und für Kommunikationsdienstleistungen, internationale Reisen und Spesen Hunderttausende von Franken kassiert hat.
Jahrelang hatte Morena handgestrickte Videos über Tierheime und entlaufene Tiere in der Westschweiz erstellt. Dabei wurde die Schönheit nicht nur vom langjährigen Präsidenten Heinz Lienhard (88) unterstützt, der zusammen mit ihr bis heute in mehreren Stiftungen einsitzt, sondern auch vom aktuellen Interimspräsidenten Piero Mazzoleni (74), der gegenüber dieser Redaktion auch diese Woche wieder Morenas Engagement und Tierliebe lobte.
40 Videos für 200’000 Franken
Der Tessiner hatte in der Übergangszeit nach seiner turbulenten Wahl im Januar 2024 einen neuen Vertrag mit Morena unterzeichnet, für den sie vierzig Videos von zehn bis zwanzig Minuten Dauer erstellen sollte – für über 200’000 Franken pro Jahr. Der neue Vorstand kündigte den Vertrag umgehend. Doch Morena wollte sich damit nicht abfinden.
Sie bot ihren Rückzug aus dem Vorstand an und legte im Gegenzug einen neuen Vertragsentwurf vor, der «wiederum eine sechsstellige Gesamtsumme» umfasste, wie die Geschäftsstelle bestätigt.
Trotz Druckversuchen habe der Zentralvorstand an einer Krisensitzung vom Dienstagabend den «Vorschlag einstimmig abgelehnt, da die geforderte Summe angesichts der Finanzlage unangemessen erscheint», schreibt die Geschäftsstelle auf Anfrage. Stattdessen habe man Morena «ein kleines Stundenmandat für die Rekrutierung von Vorstandsmitgliedern und den Infoaustausch mit den Sektionen in der Romandie angeboten». Damit gab sich diese offenbar nicht zufrieden.
Morena spricht von «verleumderischen Angriffen»
Lolita Morena selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sie hat ihr Anwesen im Wallis letztes Jahr verkauft und ist nach Italien gezogen. In einem eiligen «Kommuniqué» vom Mittwochabend an die Sektionen kritisiert sie den internen Newsletter des Zentralvorstands an die Sektionen und bezeichnet diesen fälschlicherweise als «Pressemitteilung».
Sie beklagt «verleumderische Angriffe» und dass ihre «Toudou»-Fernsehsendungen «annulliert» worden seien: «Viele Sektionen drückten ihre Enttäuschung über die Einstellung dieser Sendung aus, die es ihnen ermöglichte, ihre Aktivitäten (…) vorzustellen.» Mit einer Neulancierung hätte man «die Sektionen der Romandie besänftigen» können.
Ob sich diese am Samstag tatsächlich aus Solidarität mit Lolita Morena gegen Reformen wehren werden, ist abzuwarten. Die Statutenänderung erfordert eine Zweidrittelmehrheit.
Fest steht hingegen, dass die Strafuntersuchung der Basler Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität auf Hochtouren läuft. Das Dossier umfasst nach mehreren Einvernahmen bereits Hunderte von Seiten und fokussiert auf dubiose Immobiliengeschäfte. Der «Schweizer Tierschutz» ist als Privatkläger ins Verfahren involviert, um allfällige Schadenersatzforderungen geltend zu machen.