
Einzelne Songs statt Album: Pablo Nouvelle setzt neu auf Momentaufnahmen
Pablo Nouvelle hat’s erwischt. Die Familie des Musikers liegt flach. Kranke Kinder, angeschlagene Eltern. Kein smoother Start in den eben erwachenden Frühling. «Es hätte jetzt nicht sein müssen», sagt Fabio Friedli, wie Nouvelle bürgerlich heisst, diplomatisch.
Anscheinend fliesst die Grundentspannung, die sich durch die Tracks von Pablo Nouvelle zieht, auch ins Real-Life. Mit viel Vibe und Soul bastelt er einen Soundtrack, der genug luftig ist, um nach einem geschäftigen Tag etwas wegzudriften, und doch griffig genug, um dabei die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
Üble Genrebezeichnungen wie «Urban Chill-out» wurden erdacht, um diesen Sound irgendwie zu katalogisieren. Bei Pablo Nouvelle kommen dabei aber auch noch eine Portion Tiefgang und leichte Störgeräusche hinzu. Oder Deepness, wie es wohl all die Urban-Chill-Outer sagen würden.
Und jetzt wagt er sich an ein Experiment. Kein Album mehr, sondern jeden Monat zwei Tracks. «Ich wollte ausprobieren, wie man all die Chancen der Musikindustrie nutzen kann», sagt der Berner, der schon lange in Zürich lebt. Das ist positiv formuliert. Die «Chancen» sind die wenigen Stöckchen, die einem das Streaminggeschäft hinwirft. «Es geht auch darum, wie wir uns mit dieser Maschine arrangieren.»
Wie klingt der Frühling?
Der grösste Vorteil: Musik könne unmittelbar veröffentlicht werden. Es braucht nicht mehr den Umweg über Presswerke und Vertriebe. Song aufnehmen, produzieren, zwei Klicks und Play. Das erlaube es, Musik «aus dem Moment» zu machen. In dieser Unmittelbarkeit liege eine Kraft. «Es hat auch etwas Befreiendes, wenn man den Song sofort loslassen kann.»
«Skizzen» habe er im Vorfeld gesammelt, sagt Nouvelle. Diese verfeinert er nun. Immer portionenweise. Der März sei geplant, was dann komme, ist «offen». Natürlich beeinflusse das Leben, wie die Tracks klingen. Der Frühling klingt anders als der Winter. Aber ein Stimmungsbarometer sollen die Songs nicht sein, «es sind Momentaufnahmen».
Es ist auch ein (temporärer) Abschied vom Albumkonzept. Nouvelle, der selbst «in aller Regel» auch nur noch Songs und keine ganzen Alben mehr hört, macht das nicht wehmütig. «Es ist einfach die Realität», sagt er. Was ihn ohnmächtiger stimmt, ist, «dass die Musikindustrie keinen Weg gefunden hat, um nicht einfach die Spielregeln der Techgiganten zu übernehmen.» Mit der Streamisierung der Musik nahm die Aufmerksamkeit ab. Zwei Klicks weiter wartet schon der nächste Künstler oder die nächste Künstlerin.
Gleichzeitig verschieben sich die Einnahmen weg von Musikern zu den Bossen von Spotify und Co. «Und wie wir gerade in den USA sehen, ist das auf mehrere Arten eine ungute Entwicklung», sagt Nouvelle. Aber mangels Alternativen bleibe ihm auch nicht viel übrig, ausser das ungeliebte Spiel mitzuspielen. «Fairere» Portale wie Patreon seien zu abgeschlossen, «ich will, dass meine Musik möglichst viele Menschen erreicht.»
Verstolperter Groove
Und so präsentiert er seinen zahlreichen Streamenden (rund 330’000 monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify) bislang vier Songs in seiner «2025»-Playlist. Typisch Pablo Nouvelle sind sie vielschichtig gebaut und trotzdem nie überladen. «Ich suche die Essenz. Schnörkel versuche ich wegzuschneiden», sagt er.
«Not Ready Yet» etwa hat einen hypnotischen Groove, der auch mal stolpern darf. Und «After Midnight» ist ein clever-verbremster Dance-Track, der trotz viel Wohlklang auch abgründig geheimnisvoll bleibt. Beim Machen der Tracks habe er sich auch an sein «Studium in Animationsfilm erinnert». Er denke teilweise in Geschichten und versuche dann, den Soundtrack dafür zu entwerfen.
Was kommt noch? Pablo Nouvelle sagt: «Ich weiss es nicht.» Wohin es mit den Tracks gehe, werde sich zeigen. Er geniesse es gerade, auf diese Art Musik machen zu können. «Nichts muss. Das ist cool.» Wenn er ein Album veröffentlicht habe, habe er jeweils ein Jahr am Stück produziert, und dann hat es noch einmal ein Jahr gedauert, bis das Werk erschien. «Da war ich teilweise musikalisch schon an einem anderen Ort.»
Jetzt ist er da. In Zürich. Die Stimme etwas kratzig. Der Sohn weint. Elende Viren. Und unweigerlich denkt man daran, wie Pablo Nouvelle die Situation vertonen würde. Entspannter würde die Grippe nie klingen.