
Single-Frauen bleiben von Samenspenden weiterhin ausgeschlossen – doch im Parlament regt sich Widerstand
In der Schweiz soll bald eine «Ungleichbehandlung», wie es Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) formulierte, aus dem Weg geräumt werden: Wenn bei einem Paar der Mann unfruchtbar ist, darf es nämlich auf eine Samenspende zurückgreifen. Ist allerdings die Frau unfruchtbar, gibt es für das Paar keine Möglichkeit der künstlichen Befruchtung, weil die Eizellenspende hierzulande unter Strafe steht.
Jetzt soll genaundas legalisiert werden. Baume-Schneider sagte an der Medienkonferenz Ende Januar: «Es ist eine Anpassung an die Realität unserer Zeit.» Damit meinte sie auch, dass nicht mehr länger nur verheiratete Paare Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erhalten sollen. Mit der Gesetzesänderung sollen auch unverheiratete Paare künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen können.
Alleinstehenden Frauen wird dieser Zugang jedoch weiterhin verwehrt bleiben. Darauf angesprochen begründete Baume-Schneider dies damit, dass diese Möglichkeit in der Verfassung nicht vorgesehen sei.
Breite Koalition setzt sich für Alleinstehende ein
Dagegen wehren sich nun fünf Nationalrätinnen und ein Nationalrat unter der Federführung der Waadtländerin Brigitte Crottaz (SP). Aus SVP, FDP, SP, Grüne, GLP und der Mitte hat je ein Ratsmitglied eine parlamentarische Initiative eingereicht, die verlangt, dass auch Single-Frauen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erhalten. Vier von den sechs Ratsmitgliedern stammen aus der Westschweiz.
Die Schweiz sei nebst Italien eines der einzigen europäischen Länder, in welchen alleinstehenden Frauen der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin verwehrt wird, schreiben die Initiantinnen und der Initiant. Wer in der Schweiz eine alleinerziehende Mutter werden möchte, muss sich deshalb informeller Lösungen bedienen.
Man muss sich entweder den Zugang zu künstlicher Befruchtung im Ausland suchen, Samenspenden im Internet bestellen oder sich auf eine Zufallsbekanntschaft einlassen – alles Methoden, die gesundheitliche und psychologische Risiken bergen, wie es im Initiativtext steht.
Freiwillig alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch sind eine Realität
Gemäss Bundesamt für Statistik sind 16,6 Prozent der Haushalte mit Kindern Einelternhaushalte. Zudem gebe es finanziell unabhängige Single-Frauen, die sich bewusst ihren Kinderwunsch allein erfüllen wollen. Die Ratsmitglieder schreiben: «Die Gesetzgebung muss diese wachsende soziale Realität anerkennen.»
Sie stützen sich auf die Nationale Ethikkommission, die schon 2019 zum Schluss kam, dass nebst den unverheirateten und gleichgeschlechtlichen Paaren auch Solo-Frauen den Zugang zu Samenspenden erhalten sollten.
Die Initiantinnen und Initianten wollen auch die Rechte der Kinder schützen. Dazu gehört, die eigene genetische Abstammung zu kennen. «Wer in der legalen Grauzone gezeugt wurde, geniesst nicht dieselben Rechte wie legal gezeugte Kinder», schreiben die Ratsmitglieder.
Das ist auch das Hauptmotiv einer der Initiantinnen, Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun: «Wir brauchen jetzt gewisse Schutzbestimmungen für alle Beteiligten.» Sie vertraut darauf, dass eine pragmatische Diskussion möglich ist: «Ich finde es wichtig, dass wir das jetzt thematisieren.»