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Erstickt im Schlamm: Obergericht mildert Strafe für Geschäftsführer nach tödlichem Unfall in Kiesgrube

Trotz defektem Gabelstapler blieb dieser in Gebrauch – ein junger Arbeiter starb. Nun hat das Aargauer Obergericht das Urteil gegen den Geschäftsführer eines Kies- und Betonwerks in Gebenstorf teilweise abgeschwächt. Es hielt dennoch fest: Er stellte wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit.

Am Morgen des 18. Juni 2021 transportierte ein 26-jähriger Portugiese auf dem Recyclingplatz eines Kies- und Betonwerks in Gebenstorf mit einem Gabelstapler schwere Betonblöcke, als das Fahrzeug in einer Schlammpfütze stecken blieb. Obwohl der junge Leiharbeiter angewiesen wurde, zu warten, versuchte er allein, den Gabelstapler fahrend aus dem Morast zu befreien.

Dabei kippte das fast vier Tonnen schwere Fahrzeug seitlich um. Weil der Sicherheitsgurt defekt war, war er nicht angeschnallt. Er wurde aus dem Sitz geschleudert und vom Überrollbügel in den Schlamm gedrückt, in dem er erstickte. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

2023 standen deshalb drei Vorgesetzte des verunglückten Portugiesen vor dem Bezirksgericht Baden: Zum einen besass der Arbeiter keine nach Schweizer Vorschriften gültige Berechtigung, einen Gabelstapler zu führen. Zum anderen war der Gabelstapler selbst nicht betriebssicher: Der Gurt konnte nicht eingesteckt werden, das entsprechende Teil fehlte.

Wer damit fuhr, konnte sich gar nicht anschnallen. Dieser Mangel wurde nur wenige Tage zuvor in einem Reparatur- und Service-Rapport festgehalten, den der Geschäftsführer des Kies- und Betonwerks unterzeichnete. Trotzdem blieb das Fahrzeug im Einsatz.

Urteil leicht gemildert

Zwei der Beschuldigten sprach das Bezirksgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei, den Chef verurteilte es jedoch zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und einer Busse von 6000 Franken. Er wehrte sich gegen das Urteil – mit teilweisem Erfolg: Das Aargauer Obergericht hält ihn zwar immer noch der fahrlässigen Tötung für schuldig, milderte das Verdikt jedoch ab, wie aus dem vor kurzem publizierten Urteil hervorgeht.

Das Bezirksgericht hatte den Geschäftsführer auch wegen Widerhandlung gegen das Unfallversicherungsgesetz verurteilt – mit der Begründung, er habe die auf dem Gelände tätigen Mitarbeitenden nicht ausreichend über Sicherheitsvorschriften informiert.

Das Obergericht hob dies jedoch wieder auf, weil der Vorwurf in der Anklage nicht ausreichend konkretisiert wurde. Statt der Freiheitsstrafe verhängt es eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 260 Franken – also insgesamt 46’800 Franken – sowie eine Busse von 5000 Franken.

Der Geschäftsführer hatte einen Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung gefordert. Er machte geltend, dass andere Personen für Kontrolle und Arbeitssicherheit zuständig und es nicht vorhersehbar gewesen sei, «dass ein Mitarbeiter einen nicht zertifizierten Hilfsarbeiter, der unter dem Einfluss von Cannabis stehe und somit fahrunfähig sei, zum Führen eines Gabelstaplers bestimme, dass dieser den Gabelstapler in einer Pfütze versenke und danach anweisungswidrig versuche, den Gabelstapler wieder alleine aus der Pfütze heraus zu manövrieren», wie es im Urteil heisst.

Er sah die Ursache des Unfalls nicht im defekten Gabelstapler, sondern in einer unsachgemässen Nutzung durch eine Person, die dazu nicht befugt gewesen sei.

«Wirtschaftliche Interessen über Sicherheit gestellt»

Das überzeugte das Gericht allerdings nicht, es liess an der Schuld des Geschäftsführers keinen Zweifel: Er sei zum Unfallzeitpunkt verantwortlich gewesen für den Betrieb und die Sicherheit der Mitarbeitenden – auch gegenüber externem Personal. Er habe um den defekten Sicherheitsgurt gewusst und das Fahrzeug dennoch nicht aus dem Verkehr gezogen.

Es sei für ihn sehr wohl vorhersehbar gewesen, dass «der jeweilige Lenker beim Umkippen des fast vier Tonnen schweren Gabelstaplers ohne angebrachten Sicherheitsgurt unter diesen stürzen und dadurch tödliche Verletzungen erleiden könnte». Er habe trotz des Sicherheitsmangels nicht auf die Nutzung des – notabene einzigen – Gabelstaplers verzichten wollen und damit «wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit der Arbeitnehmer gestellt».

Zwar sei der verunglückte Arbeiter laut Gericht unter leichtem Einfluss von Cannabis gestanden – doch die Konzentration sei unterhalb des Grenzwerts gelegen, der im Strassenverkehr für die Fahrunfähigkeit gilt.

Dass der Portugiese entgegen der Anweisung den Stapler dennoch alleine manövrierte, wird im Urteil «höchstens als leichtes Mitverschulden» gewertet. Diese Umstände reichen laut Obergericht nicht aus, den Geschäftsführer zu entlasten. Die tödlichen Folgen im Zusammenhang mit dem defekten Sicherheitsgurt und der nicht abgesperrten Schlammpfütze hätten für ihn vorhersehbar sein müssen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.