
Lohngleichheitsinitiative im Aargau: Das sind die neun wichtigsten Fragen und Antworten
Die Aargauer Stimmbevölkerung entscheidet am 18. Mai über zwei kantonale Vorlagen. Einerseits geht es um die Steuergesetzrevision 2025, andererseits um die Volksinitiative «Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!», die am 12. Juni 2024 mit 3281 gültigen Unterschriften eingereicht wurde. In einem ersten Schritt geht die AZ auf die zentralen Punkte dieser Volksinitiative ein.
Wer steckt hinter der Initiative?
Der Gewerkschaftsdachverband Arbeit Aargau sammelte Unterschriften mit Unterstützung von Frauenorganisationen, SP, Mitte Frauen und Grünen. Er reichte letztes Jahr die Initiative «Lohngleichheit im Aargau – jetzt!» ein.
Um was geht es den Initiantinnen?
Die Volksinitiative fordert obligatorische Lohnanalysen für Unternehmen bereits ab 50 Arbeitnehmenden. Gemäss nationalem Gleichstellungsgesetz sind Lohnanalysen für Betriebe ab 100 Mitarbeitenden bereits Pflicht. Zudem sieht die Initiative vor, die kantonale Fachstelle für Gleichstellung als Kontroll- und Meldestelle wieder einzuführen. Das Problem mit der Lohnungleichheit sei, dass es in vielen Betrieben an Lohntransparenz fehle,sagte Grüne-Politikerin Irène Kälin im AZ-Interview. Die Präsidentin von Arbeit Aargau ergänzt: «Heute wissen Frauen oft gar nicht, ob sie gleich viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen und umgekehrt. Deshalb sind Lohnanalysen so wichtig, denn sie schaffen Transparenz.»
Welche Argumente sprechen dafür?
Laut Initiativkomitee verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch 16,2 Prozent oder 1364 Franken pro Monat weniger als Männer in vergleichbarer Position – rund die Hälfte davon sei nicht erklärbar. Die Initiantinnen verfolgen mit der Vorlage das Ziel, Altersarmut, Rentenlücken und finanzielle Benachteiligung zu reduzieren und endlich die Lücke bei der Lohngleichheit zu schliessen.
Was spricht für ein Nein?
Die Gegner argumentieren mit einer bürokratischen Extrawurst. Die Sonderregelung schade dem Wirtschaftsstandort Aargau. Lohnanalysen brächten nicht mehr Gleichstellung. Anstelle wirkungsloser Berichte brauche es griffige Massnahmen wie die Förderung der Kinderbetreuung, Weiterbildung von Mitarbeitenden und finanzielle Anreize wie die Individualbesteuerung. Die Initiative erzwinge eine neue Amtsstelle mit mehreren «hoch dotierten» Kantonsangestellten.
Was sagt der Regierungsrat dazu?
Der Regierungsrat unterstützt die verfassungsmässige Gleichstellung von Mann und Frau. Die Lohngleichheitsinitiative lehnt er jedoch ab. Er sagt, er plädiere für schweizweit einheitliche Regelungen zur Lohnanalyse, «da kantonale Unterschiede die Umsetzung für Unternehmen mit mehreren Standorten erschweren». Auch von der Wiedereinführung einer zentralen Fachstelle will die Regierung nichts wissen, weil sich die dezentrale Verantwortung für die Gleichstellung im Kanton Aargau bewährt habe.
Wie fiel die Abstimmung im Grossen Rat aus?
Das Kantonsparlament lehnte die Initiative Mitte Januar mit 97 Nein zu 35 Ja ebenfalls ab.Einzelne Mitglieder waren der Meinung, dass die Initiative gegen Bundesrecht verstosse und wollten sie für ungültig erklären. 133 Ratsmitglieder hielten dagegen.
Wer unterstützt die Initiative?
Folgende Organisationen und Parteien haben sich für die Vorlage von Arbeit Aargau ausgesprochen: Frauenaargau, Frauenzentrale Aargau, Gleichstellung Aargau, Die Mitte Frauen Aargau, Grüne, SP, Feministischer Frauenstreik 14. Juni, Aargauischer Gemeinnütziger Frauenverein, Syna und der Aargauische Katholische Frauenbund. Auch Einzelpersonen von anderen Parteien wie GLP oder EVP bekunden Sympathie für die Initiative.
Wer ist gegen die Vorlage?
Das überparteiliche Komitee «Nein zur Leerlauf-Initiative» unter der Federführung der Aargauischen Industrie- und Handelskammer stellt seine Argumente nach Ostern der Öffentlichkeit vor. Mit dabei sind Vertretungen von SVP, FDP, Mitte und GLP. An Parteiversammlungen haben Mitte, FDP, GLP, EVP und EDU die Nein-Parole beschlossen. Auch die Frauen- und Jungparteien von SVP und FDP sowie der Aargauische Gewerbeverband sind dagegen.
Was ändert sich bei einem Ja?
Bei Annahme der Initiative müssten mehr Unternehmen mit Sitz im Aargau eine Lohnanalyse durchführen. Im Abstimmungsbüchlein ist von einer tiefen dreistelligen Anzahl zusätzlich betroffener Arbeitgeber die Rede. Der Kanton muss die Einhaltung der Analysepflicht und der Vorgaben überwachen. Zudem werden Sanktionen definiert, die zum Tragen kommen, wenn Unternehmen das Gebot der Lohngleichheit verletzen.