
Mit der Cremeschnitte hat er sich bereits einen Namen gemacht: So hat sich der neue Betriebsleiter im «Schneggen» eingelebt
«Ich habe viel gesehen, von der Sternenküche bis zu Grossküchen», sagt Ralf von der Heyde. Auch mit all diesen Erfahrungen im Rucksack ist für ihn das Hotel und Restaurant zum Schneggen in Reinach ein besonderes Lokal. «Der ‹Schneggen› hat einen eigenen Charakter. Das Haus ist altehrwürdig, vom Keller bis zum Turm», so von der Heyde.
Seit Januar kann er als neuer Betriebsleiter und Küchenchef das nächste Kapitel des Hauses prägen. Das ist eine Aufgabe, die über das Gastronomische hinausgeht. Denn seit 2011 gehört der «Schneggen» zur Stiftung Lebenshilfe, das Lokal ist nicht nur Restaurant und Hotelbetrieb, sondern auch eine Integrations- und Ausbildungsstätte.
Und während Bundesräte nach 100 Tagen im Amt vor den Medien antraben und eine erste Bilanz ziehen, eignet sich der Zeitpunkt auch, um beim neuen Betriebsleiter den Puls zu fühlen. «Ich hatte einen turbulenten, aber schönen Einstieg, das Team hat mich gut empfangen», sagt von der Heyde.
Eigentlich hätte er im vergangenen Herbst mit einem Teilzeitpensum einsteigen und per 2025 den «Schneggen» vom bisherigen Betriebsleiter Peter Jörimann übernehmen sollen. Aus personellen Gründen musste von der Heyde aber schon einige Wochen früher als geplant im Betrieb mehr Verantwortung übernehmen. Bis Ende Jahr kochte er nach der Karte seines Vorgängers, ab Januar folgte dann die Umstellung.
Suche nach Betriebsleitung sorgte für Nervosität
Und auch wenn die Stammgäste anfangs einzelne Gerichte vermissten, konnte der neue Küchenchef sie schnell mit neuen Menüs überzeugen. Eines war jedoch klar: Auch auf der neuen Speisekarte darf das Schnitzel nicht fehlen. «Damit machen wir schon einen grossen Teil der Kundschaft glücklich», so von der Heyde. Im «Schneggen» koche man das Schnitzel noch richtig klassisch mit viel Butter, dazu gibt es Preiselbeeren. Ausserdem hat sich der gebürtige Deutsche mit den selbst gemachten Cremeschnitten bereits ein eigenes Markenzeichen gesetzt. «Die Leute kommen deswegen extra wieder zu uns», berichtet der Küchenchef.

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Er setzt grossen Wert auf hausgemachte Spezialitäten, sei es bei Desserts, Pasta oder Würsten. Nur schon dieser Aspekt ist für Philippe Crameri, Geschäftsleiter der Stiftung Lebenshilfe, ein eindeutiges Zeichen, mit Ralf von der Heyde den richtigen Kandidaten gefunden zu haben. «Es war uns wichtig, dass wir einen begnadeten Koch einstellen können. Jemand, der das Handwerk in der Küche beherrscht und nicht einfach Hotelier ist», sagt Crameri.
Die Suche nach einer neuen Betriebsleitung habe ihn etwas nervös gemacht. «Man hört oft, wie hart es ist, auf dem aktuellen Stellenmarkt jemanden für die Gastronomie zu finden», so Crameri. Auf die Stelle hat es 30 Bewerbungen gegeben. «Sechs Kandidaten haben wir näher angeschaut», erklärt der Geschäftsleiter.
Ralf von der Heyde überzeugte fachlich, kannte den «Schneggen» bereits und sprang in der Vergangenheit auch schon aushilfsmässig in der Küche ein. Seine Partnerin Andrea von der Heyde ist seit 2018 im Betrieb tätig und für den Service, den Hausdienst und die Hotellerie verantwortlich. Sie haben sich als Angestellte in einem Hotel in Österreich kennengelernt und sind vor acht Jahren ins Wynental gekommen.
Tägliche Dankbarkeit gegenüber den Mitarbeitenden
Ralf von der Heyde hat sich in Hannover zum Koch ausbilden lassen, bereits 2002 aber seine erste Stelle in der Schweiz angetreten. In den Jahren darauf hat er in namhaften Häusern gekocht, unter anderem im Hotel Zermatterhof, dem Park Hotel Vitznau und dem Widder Hotel in Zürich. Wie ist der Wechsel von solchen Küchen zu einem Betrieb, der auch Integrations- und Ausbildungsstätte ist? «Ich habe es mir schwieriger vorgestellt, man kommt schnell rein», sagt von der Heyde.
Der 43-Jährige bildet seit vielen Jahren als Berufsbildner Lernende aus, doch die Arbeit mit Leuten abseits des ersten Arbeitsmarktes ist für ihn neu. «Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind dabei das Wichtigste», erklärt der neue Betriebsleiter. Er lobt seine Küchen- und Servicecrew: «Sie sind offen, wenn ich mit einer Idee komme, und setzen sie sehr gut um.»

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Weil der Alltag in der Gastronomie sehr streng sein kann, ist es von der Heyde wichtig, dass die Mitarbeitenden seine Wertschätzung spüren. So gehört nicht nur jeden Morgen ein Händedruck zur Begrüssung dazu, sondern auch am Ende des Arbeitstages: «Ich gebe allen am Abend die Hand und bedanke mich.»
Dass die Kultur der Stiftung auch im Hotel und Restaurant zum Schneggen gelebt wird, ist Philippe Crameri wichtig: «Wir sind ein werteorientierter Betrieb. Alle sollen sich auf Augenhöhe begegnen.» Deshalb begrüsste er es auch, als Ralf von der Heyde im «Schneggen» die Du-Kultur einführte. In den anderen Zweigen der Stiftung Lebenshilfe war diese bereits etabliert.
«Das Lokal hat eine Strahlkraft»
Die Stiftung hat in Reinach, Menziken und Dürrenäsch mehrere Standorte. An diesen bietet die Stiftung 110 Wohn- und 163 Arbeitsplätze an. Dazu begleitet die Stiftung 29 Personen in der beruflichen Integration und führt in Aarau die Berufsschule Scala für Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Im «Schneggen» werden deshalb auch Personen auf allen drei Stufen ausgebildet. Also Lernende, die eine IV-unterstützte Praktische Ausbildung (PrA INSOS) absolvieren, mit dem eidgenössischen Berufsattest (EBA) oder dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) abschliessen. Ausserdem gehören mehrere geschützte Arbeitsplätze zum «Schneggen»-Team dazu.
Crameri freut sich, dass der Reinacher Gastrobetrieb schon seit 2011 zur Stiftung Lebenshilfe gehört. Das Gebäude gehört der Einwohnergemeinde, die Stiftung pachtet die Liegenschaft: «Es ist schön, den ‹Schneggen› zu haben. Das Lokal hat eine Strahlkraft, ich komme gerne mit Gästen hierher.» Mit von der Heyde gibt es nicht nur neue kulinarische Impulse, sondern auch andere Veranstaltungen. So öffnet das Restaurant extra am Muttertag, ansonsten ist der Betrieb jeweils am Sonntag und Montag geschlossen. Klassiker wie das monatlich stattfindende «Musig im Schnägge» bleiben erhalten, die «Wine & Dine»-Anlässe gibt es auch weiterhin. «Dabei soll aber das Essen stärker als der Wein im Vordergrund stehen», so von der Heyde.
Im Herbst darf die traditionelle Metzgete mit hausgemachten Würsten nicht fehlen. Für den Dezember hat der Küchenchef etwas ganz Besonderes geplant: «Dann gibt es ein Gänseessen, wie es in meiner Heimat Tradition ist.»