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Welche Auswirkungen hat der neue Ärztetarif auf die medizinische Grundversorgung im Aargau?

Tardoc und ambulante Pauschalen sollen unter anderem die Grundversorgung – also die Hausärztinnen und Hausärzte – stärken. Ob das gelingt, bleibt offen, vor allem weil es insgesamt nicht teurer werden darf. Der Aargauer Regierungsrat verweist auf seine begrenzten Einflussmöglichkeiten.

Tausende Stunden Arbeit stecken in ihm. Zehn Jahre verhandelten Ärzteschaft, Spitäler und Krankenkassen. Viel Widerstand musste er erfahren.Doch jetzt kommt er: der Tardoc. Im vergangenen Juni gab der Bundesrat das Okay für den neuen Ärztetarif sowie ambulante Pauschalen.Beide sollen per 1. Januar 2026 eingeführt werden.

Tardoc steht für «Tarif für ambulante ärztliche Leistungen und Dokumentation». Es handelt sich um eine moderne Tarifstruktur, die spezifische Positionen für jede ärztliche Leistung vorsieht. Tardoc wird ab 2026 den bisherigen Tarmed-Tarif ersetzen und soll eine gerechtere und zeitgemässe Abrechnung im ambulanten Bereich ermöglichen. Wichtig: Der Tardoc und die ambulanten Pauschalen dürfen insgesamt nicht mehr kosten als das bisherige Tarifsystem.

Eines der Ziele ist die Stärkung der Grundversorgung – also der Hausärztinnen und Hausärzte. Ob das gelingt, ist aber keinesfalls klar. Denn die verlangte Kostenneutralität birgt auch Risiken, wie etwa der Verband der Haus- und Kinderärzte (mfe) bemerkt.

Regierung sieht «geringe Einflussmöglichkeiten» bei Tarifstruktur

Im Moment könne niemand abschliessend beurteilen, welche Folgen die Umsetzung dieser Vorgaben für das ganze System habe, glauben auch mehrere Aargauer Grossrätinnen und Grossräte. Laut Tobias Hottiger (FDP), Severin Lüscher (Grüne), Lucia Engeli (SP) und Hans-Peter Budmiger (GLP) hat der Kanton Aargau «angesichts der bereits bestehenden und sich verschlechterndenUnterversorgung in der Grundversorgungein grosses Interesse daran, dass die Haus- und Kinderärzte sowie die Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiater gestärkt werden – insbesondere in den Randregionen». Der Aargau verfügt weiterhin über die zweitgeringste Hausärztedichte im interkantonalen Vergleich.

Die vier Grossratsmitglieder wollten vom Regierungsrat wissen, ob er Einfluss nehmen könne, damit mit dem Tardoc und den ambulanten Pauschalen eine Verbesserung erreicht wird. Die Regierung verweist in ihrer Vorstossantwortauf mehrere Projekte im Kanton, die die Versorgung mit Hausärztinnen und Hausärzten stärken sollen, etwaPraxisassistenzen in Grundversorgerpraxenoder die interprofessionelle Hausarztpraxis Muri Plus.

FDP-Grossrat Tobias Hottiger.
Bild: zvg

Was die neue Tarifstruktur betrifft, erachtet sie ihren Spielraum als begrenzt. Es sei davon auszugehen, «dass den Kantonen eine untergeordnete Rolle zukommen wird und sie deshalb geringe Einflussmöglichkeiten haben werden.»

Tarife müssen betriebswirtschaftlich bemessen werden

2024 hat die Aargauer Regierungs entschieden, dass ambulante ärztliche Leistungen künftig besser entschädigt werden sollen. Sie erhöhte den sogenannten Taxpunktwert von 89 auf 92 Rappen. Die in einem Katalog festgelegten ärztlichen Leistungen werden dann mit diesem Wert multipliziert. Eigentlich wird der Taxpunktwert zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen ausgehandelt. Erst wenn sie sich nicht einigen können, muss der Kanton entscheiden.

Nun verlangt der Bundesrat, dass die Taxpunktwerte bei Inkraftsetzung von Tardoc unverändert bleiben. Die Grossrätinnen und Grossräte wollten vom Regierungsrat wissen, ob er diese Vorgabe als Eingriff in die Kompetenz der Kantone betrachtet und wie viel Handlungsspielraum er in diesem Bereich sieht.

Auch hier verweist die Regierung auf ihre eingeschränkten Einflussmöglichkeiten. Den Kantonen käme nur eine subsidiäre Rolle zu, bei der Festlegung der Tarife sei eine Reihe von Vorgaben zu beachten, die das Ermessen der Kantone «erheblich einschränken». Insbesondere müssten Tarife «betriebswirtschaftlich bemessen werden» und sich an denjenigen Leistungserbringern orientieren, welche die entsprechende Leistung «gut und günstig» erbringen, schreibt der Regierungsrat. Es sei daher nur in einem sehr bescheidenen Rahmen möglich, die Tarifsetzung gezielt als Instrument für bestimmte Zwecke, wie die Förderung der Versorgung in bestimmten Regionen, einzusetzen.

Auch regional oder fachlich differenzierte Tarife – einst im Kanton Bern im Rahmen eines Pilotprojekts getestet – zieht der Regierungsrat nicht in Betracht. Es handle sich dabei um eine «wenig erforschte rechtliche Grauzone». Fraglich ist aus Sicht der Regierung beispielsweise, ob regional differenzierte Ansätze – insbesondere höhere für Randregionen als für die Zentren – mit dem Gebot wirtschaftlicher und günstiger Tarife vereinbar wären.

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