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Die Welt ohne Papst Franziskus – seine Stimme wird fehlen

Nach dem Tod des 88-Jährigen am Ostermontag fragt sich die katholische Welt, wohin die Kirche unter einem neuen Oberhaupt steuern wird.

Der Tod von Papst Franziskus kam nicht unerwartet, aber gleichwohl plötzlich: Der 88-jährige Pontifex hat seit Monaten gekränkelt, musste sich fünf Wochen lang wegen einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung im Krankenhaus behandeln lassen und ist danach trotz des von den Ärzten verordneten Schon- und Rehabilitationsprogramms nicht mehr richtig auf die Beine gekommen.

Und dennoch hatte Franziskus am Tag vor seinem Tod noch persönlich den Ostersegen «Urbi et Orbi» gespendet und danach zur Freude von Zehntausenden von Gläubigen auch noch eine Runde im Papamobil auf dem Petersplatz gedreht. Und so war sein plötzlicher Hinschied am Morgen des Osterdienstags trotz allem für viele ein Schock.

Ein Papst für alle

Der Tod eines Papstes ist immer eine Zäsur. Für die katholischen Gläubigen ohnehin, aber im Fall von Jorge Mario Bergoglio nicht nur für sie. Das liegt zum einen an der Persönlichkeit des Verstorbenen: Papst Franziskus war ein Charismatiker und natürlicher Sympathieträger. Mit seiner Fröhlichkeit, seinen Extratouren, seinem Witz, seiner Bescheidenheit und seiner Demut hat er auch Menschen berührt – und damit für seine Botschaften empfänglich gemacht –, die mit Religion nicht viel anfangen können.

Ein kleines, aber bezeichnendes Beispiel nur: Bei einer Audienz für Vatikanjournalisten hat der argentinische Papst nicht nur den sehbehinderten italienischen Kollegen gesegnet, sondern dessen Blindenhund gleich mit dazu.

Eine Zäsur ist sein Tod auch politisch. In einer Welt, die nicht erst seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten immer mehr aus den Fugen gerät, hat sich der Papst fast als einzige global gehörte Stimme gegen den Zeitgeist zur Wehr gesetzt: gegen völkerrechtswidrige Kriege und schwerste Kriegsverbrechen, die in vielen Staatskanzleien nur noch achselzuckend zur Kenntnis genommen werden, gegen die Dämonisierung und Deportation von Migranten, die pauschal zu einer äusseren und inneren Bedrohung stilisiert werden, und gegen die Zerstörung der Schöpfung und damit gegen die globale Bedrohung durch den Klimawandel, dessen Bekämpfung inzwischen nicht mehr nur in Washington als hysterischer Tick einiger verblendeter Ideologen und «Klimakleber» verunglimpft wird.

Traurige Fussnote der Geschichte

Mit dem Tod von Jorge Mario Bergoglio verstummt eine Stimme, die der Welt fehlen wird – auch wenn die Worte des Papstes von den Mächtigen der Welt meist ignoriert worden sind. Es war die Stimme eines Mannes, der die Welt und das Leben von unten her betrachtet hat: aus der Sicht der Wehrlosen, Verfolgten, Ausgebombten, Armen und Ausgebeuteten.

Franziskus hat nicht die Doktrin, aber die Perspektive, die Sprache und den Stil der katholischen Kirche verändert. Das ist sein grosser Verdienst. Es ist eine traurige Fussnote der Geschichte, dass der letzte Staatsgast, den der Papst am Ostersonntag empfangen hat, den deprimierenden und zerstörerischen Zeitgeist, den der Papst bekämpft hat, wie nur wenige andere verkörpert: US-Vizepräsident JD Vance.

Voraussichtlich in den nächsten drei Wochen werden die wahlberechtigten 136 Kardinäle der katholischen Kirche einen Nachfolger für Franziskus präsentieren. Hinter den vatikanischen Mauern und unter Vatikanexperten wird schon jetzt eifrig darüber diskutiert, ob der nächste Papst wieder konservativer sein werde als Franziskus oder ob er vielmehr die seit Jahrzehnten ungelösten Fragen wie Zölibat, Priesterweihe für Frauen oder die Sexualmoral, etwa das Verbot der künstlichen Verhütung, angehen wird, vor denen auch Franziskus letztlich zurückgeschreckt ist.

Das sind zweifellos wichtige, zum Teil kaum noch aufschiebbare Fragen für die Kirche. Für die Welt würde man sich nach Franziskus aber vor allem eines wünschen: dass auch der Nachfolger wieder laut und mutig seine Stimme erhebt und politisch Stellung bezieht.

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