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Im Aargau bricht jeder Vierte die Lehre ab – doch fast alle steigen gleich wieder ein

Die Zahl der Lehrvertragsauflösungen steigt stetig. Doch viele Jugendliche beginnen gleich nach Abbruch der ersten Lehre eine andere Ausbildung. Deshalb sieht der Regierungsrat aktuell keinen Handlungsbedarf.

Mehr Akademiker statt «Büezer», fehlende Motivation bei den Auszubildenden und weniger Lehrbetriebe – diese Sorgen treiben SVP-Grossrätin Nicole Müller-Boder um. In einer Interpellation fordert sie vom Regierungsrat nun Antworten auf ihre Fragen zu den immer häufiger auftretenden Lehrvertragsauflösungen.

Die Lehrvertragsauflösungen seien auf Rekordniveau, schreibt die Grossrätin in ihrem Vorstoss. «Mehr als jeder Fünfte löst seinen Lehrlingsvertrag auf», habe beispielsweise «nau.ch» im vergangenen Dezember getitelt. In manchen Branchen seien es gar 50 Prozent.

Viele Junge ziehen ein Studium einer Lehre vor, schreibt Müller-Boder weiter, was zu einem verstärkten Fachkräftemangel in handwerklichen Berufen führe. Doch die Aargauer Wirtschaft brauche nicht nur Studierte, sondern auch «Büezer». Als Gründe für die vielen Lehrvertragsauflösungen werde oft angegeben, dass viele Jugendliche falsche Vorstellungen der Berufe hätten, so Müller-Boder. Die Lernenden seien überrascht, wenn sie den ganzen Tag stehen oder schwere Sachen heben müssten. Aber auch Allergien auf Staub oder Lösungsmittel führten immer wieder zu Lehrabbrüchen.

Argumentationen, die sie jeweils erstaunen, so Müller-Boder. Sie fordert die Politik zum Umdenken und Handeln auf. Zudem befürchte sie, dass fehlende Motivation, Belastbarkeit und Durchhaltevermögen die Lehrbetriebe davon abhält, weitere Lehrlinge aufzunehmen.

Der Aargau liegt leicht über dem schweizerischen Durchschnitt

Tatsächlich seien die Lehrvertragsauflösungen in den letzten fünf Jahren stetig gestiegen, schreibt der Regierungsrat jetzt in seiner Antwort auf den Vorstoss. 2022 haben rund 24 Prozent der Lernenden im Aargau die Lehre abgebrochen. Das sind fast 2 Prozent mehr als im Schweizer Durchschnitt. Eine Tendenz bei einzelnen Berufen sei nicht erkennbar.

Der Regierungsrat betont jedoch, dass eine Lehrvertragsauflösung nicht mit einem Ausbildungsabbruch gleichzusetzen sei. Fast 85 Prozent der Jugendlichen stiegen nach der Vertragsauflösung gleich wieder in eine berufliche Grundbildung ein. Die Wiedereinstiegsquote liege hier leicht über dem schweizerischen Durchschnitt.

Da sich die Differenz der Lehrabbruchsquote und die Wiedereinstiegsquote jährlich jeweils im gleichen Rahmen bewegen, sieht der Regierungsrat die Gründe der leicht steigenden Tendenz darin, dass der gewählte Beruf oder Betrieb den Jugendlichen nicht passe. Zwar würden oft Schnupperlehren angeboten, welche aber nur einen bedingten Einblick in den Berufsalltag lieferten, schreibt der Regierungsrat.

Jugendliche werden genügend auf Berufswahl vorbereitet

Handlungsbedarf sehe der Regierungsrat aktuell keinen. Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt hätten sich bereits darauf geeinigt, den zeitlichen Ablauf der Berufswahl zu vereinheitlichen. Zudem gebe es seit der Einführung des Lehrplans 21 das Schulfach «Berufliche Orientierung», welches Jugendliche frühzeitig durch den Berufsfindungsprozess begleitet, weiter stünden Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf jederzeit den Jugendlichen zur Verfügung.

Die Befürchtung Müller-Boders, dass Lehrbetriebe aufgrund von mangelnder Motivation keine Lehrlinge aufnähmen, teilt der Regierungsrat nicht. Im Aargau seien keine entsprechenden Veränderungen spürbar. Der Aargau verfüge über ein erfreulich grosses Angebot an Lehrbetrieben, schreibt er.

Überall im Kanton Aargau sind noch Lehrstellen offen. An den Lehrstellenbörsen in Aarau, Baden, Rheinfelden und Wohlen (alle am 22. März) können Jugendliche direkt mit Lehrbetrieben in Kontakt kommen, die noch offene Stellen haben. Letztes Jahr machten über 450 Jugendliche und 35 Lehrbetriebe von der Lehrstellenbörse Gebrauch. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich. Jugendliche, die Interesse an einer Mittelschule haben, können sich am 11. März in Aarau und am 18. März in Baden an den Maturitätsmessen vom Beratungsdienst «ask!» informieren. Der Eintritt für die Anlässe ist frei, eine Anmeldung ist erwünscht.