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«Gruss aus dem Rüebliland»: Die Postkarten mit Rüeblifiguren waren der letzte Schrei

Der Aargau, der Rüeblikanton – und das nicht nur des Rüeblimärts wegen. Nach 1900 wurden aus dem Aargau Tausende Postkarten mit vermenschlichten Rüebli als Sujet verschickt. Peter Meier-Schobinger hat rund 260 Sujets gesammelt – eine Hommage an den Rüeblikanton.

Der Aargau ist der Kanton der Burgen und Schlösser, der Kanton der Autobahnen und der weissen Socken. Aber er ist vor allem auch eines: der Kanton der Rüebli, das Rüebliland. Das zelebriert Aarau heuer am 6. November mit dem Rüeblimärt. Über 30’000 Besuchende aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland reisen für diesen Anlass jeweils an.

Woher das kommt, das mit dem Rüebliland, das weiss keiner so genau. Historiker gehen heute mehrheitlich davon aus, dass ursprünglich nicht das zarte Rüebli gemeint war, sondern die Zuckerrübe. Der Kanton Aargau als Zuckerrübenland also.

Etwas knorrig, aber tanzfreudig – und füdliblutt. Diese Karte wurde 1922 von Aarau aus verschickt.
Bild: zvg / Aargauer Zeitung

Das konnte einem durchaus auch die Schamesröte ins Gesicht treiben

Dass das mit dem Rüebliland eine ernste und weitverbreitete Angelegenheit war, zeigt der Blick in die Briefkästen und Postfächer unserer Vorfahren: Rüeblikarten waren nach 1900 der Hit. Was mit einem unverdächtigen «Gruss aus dem Rüebliland» begann, illustriert mit Kantonswappen und einem Bund Rüebli, steigerte sich rasch in die Vermenschlichung der Rüebli. Mit Darstellungen von Festrunden, Schifffahrten und Fussballspielen, von Beizenprügeleien und Rekruten-Drill. Aber auch solchen von Liebespaaren oder gar ausgelassenen Trinkgelagen, die den Empfängern gut und gern die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben dürften. Nur schon, weil ein Rüebli ja keine Kleidung trägt.

Peter Meier-Schobinger hat 260 Postkarten mit Rüebli-Sujet gesammelt.
Bild: zvg

Dutzende dieser Karten gesammelt und nun im Buch «Grüsse aus dem Rüebliland – Der Kanton Aargau im Spiegel der Rüeblikarten» veröffentlicht hat Peter Meier-Schobinger, 75. Ein pensionierter Fachlehrer für Physik und Französisch mit Baselbieter Dialekt, wohnhaft im Kanton Jura. Er lacht, erblich vorbelastet sei er durchaus, sagt er dann. «Meine Eltern sind in Zofingen und Küngoldingen aufgewachsen, und ich habe als Bub viele Wochen bei meinen Grosseltern verbracht.» Seither liebe er Rüeblicremesuppe und Rüeblitorte. «Als Sammler ist man immer etwas verrückt. Aber wenn ich etwas sammle, dann muss es schon einen Bezug zu meinem Leben haben.»

Als Kurator auf der Suche nach besonderen Ansichtskarten

Die Faszination für die Rüeblikarten kam aber in einer anderen Ecke auf: in Bern. In den Neunzigerjahren hängte Meier den Lehrerberuf an den Nagel und wurde – als leidenschaftlicher Philatelist – Kurator im ehemaligen PTT-Museum (heute Museum für Kommunikation). Fortan zog es ihn nun auch von Berufes wegen von Sammlerbörse zu Brockenstube, immer auf der Suche nach Ansichtskarten, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Und da weckten nicht nur die Bärenkarten (das Berner Pendant zu den Aargauer Rüeblikarten) sein Sammlerinteresse, sondern eben auch die Rüeblikarten.

Der Erste war er damit weitaus nicht: «Die Konkurrenz unter den Sammlern war gross», sagt Meier. Der Lenzburger Nold Halder (1899–1967) etwa, Vorsteher der Kantonsbibliothek und des Staatsarchivs, habe bereits eine Sammlung von rund 50 verschiedenen Rüeblikarten zusammengetragen. «Während meiner Tätigkeit als Kurator habe ich mich ausserdem mit Ueli Heiniger aus Aarburg angefreundet, seit Mitte der Siebzigerjahre ebenfalls ein leidenschaftlicher Sammler der Rüeblikarten.» Nach dessen Tod konnte Meier diese Sammlung erwerben.

Mit der Hilfe von Sammler Hans Scheibler aus Brittnau konnte er schliesslich rund 260 Rüebliland-Karten zusammentragen und sie erstmals gesammelt in einem Buch veröffentlichen. Diese sind thematisch unterteilt, etwa nach «Liebe», «Heilbäder», «Trinken», «Flugpioniere» oder «Landwirtschaft», und mit kurzen Texten versehen. Angereichert ist das Buch zudem mit Rüeblimärt-Fotografien des Aarauer Fotografen Jiří Vurma, mit Rüeblirezepten und allerlei Wissenswertem zu den Ansichtskarten selbst sowie zur Geschichte des Kantons.

«Vor Standesamt im Rüebliland» – eine Feldpostkarte, die 1920 von Zurzach aus verschickt wurde. Der Absender musste den Rhein bewachen, wie er schrieb.
Bild: zvg / Peter Meier

Besonders spannend: all die Nachrichten, die mit den betreffenden Rüebli-Männli-Sujets verschickt wurden. «Mein liebes Chröteli», steht etwa auf einer 1923 verschickten Karte mit zwei schmusenden Rüebli, «es ist hier wieder Regenwetter, unfreundlich, möchte auch lieber bei Dir sein! Gruss aus dem Rüebliland.» Oder zum Bild eines Rüebli-Brautpaars vor dem Pfarrer: «Wir müssen gegenwärtig den Rhein bewachen. Bin in Zurzach. Von Urlaub weiss ich vorläufig nichts. Wir fischen den ganzen Tag. Also Geduld.»

Die Ansichtskarten – die ersten stammen aus dem Jahr 1898, in den Fünfzigerjahren verschwanden sie wieder – würden viel erzählen, sagt Meier. Über den Humor der damaligen Zeit, über das Schönheitsideal, über das gesellschaftliche und kulturelle Leben. «Ich habe den Kanton Aargau durch diese Arbeit noch einmal ganz anderes kennengelernt.» Kennen- und ganz offensichtlich auch lieben gelernt. Bereits ist Meier an seinem nächsten Buch, dem inzwischen achten. Dessen Thema: die Aargauer Strohdachhäuser.

Der Rüeblimärt findet am 6. November statt. Das Buch «Grüsse aus dem Rüebliland» ist in Aarau in der Buchhandlung Kronengasse erhältlich.