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«Seerose»? «Brustwarze»? «Luxuriöses Designobjekt»? Die neuen Sitze am Bahnhof Aarau geben zu reden

Ein Prototyp für die neue Sitzmöblierung am Bahnhofplatz Aarau sorgt für rege Diskussionen. Noch scheinen die Aarauerinnen und Aarauer nicht allzu überzeugt von der eigens für den neuen Standort entwickelten Lösung. 

Die Stadt hat extra einen neuen Sitz konstruieren lassen, der die schadenanfälligen «Tulpen»-Sitze am Bahnhofplatz ablösen soll. Wie eine fünfblättrige Seerose sehe der Sitz aus Kunststein mit seinen roten Farbpigmenten aus, sagen die einen, auch wenn man dafür – wen wundert’s, bei der Asphaltwüste rundherum – etwas Fantasie braucht.

Klar ist, dass die Stadt am Bahnhofplatz keine ordinären 0815-Sitze wollte. Robust und pflegeleicht, aber etwas speziell sollen sie sein. Seit einer Woche steht der Prototyp nun auf dem Bahnhofplatz. Daneben ein QR-Code, mit dem sich die Bevölkerung im Sinne einer Vernehmlassung noch bis zum 5. Juli äussern kann. Erst danach wird entschieden, ob es für die weitere Produktion Anpassungen braucht.

Der Sitz besteht aus Kunststein (rötlich und schwarz) und weist rote Farbpigmente auf. 
Chris Iseli

In den sozialen Medien und in Gesprächen in der Stadt gehen die Meinungen über den Prototypen auseinander. An Kritik wird jedoch nicht gespart. Vor allem wegen Farbe, Form und Funktionalität. Einer sagt, so etwas würde eher zum Neumarkt Brugg, diesem Einkaufskomplex mit 80er-Jahre-Charme, passen.

Auf Facebook fallen Sätze wie: «Sieht aus wie ein riesiger Hundehaufen.» Andere wollen – vielleicht auch wegen der Farbe – tatsächlich eine Brustwarze darin erkannt haben. «Nachthafen mit Deckel» nennt es jemand, auch Ähnlichkeit mit einer Tretmine wird ausgemacht.

Punkto Funktionalität wird bemängelt, dass man sich als Gruppe nicht ansehen kann, wenn alle mit dem Rücken zur Mitte auf dem Fünfersessel sitzen. Und man macht sich Gedanken, wie stark sich die Sitzfläche aufheizen wird, ist sie doch der prallen Sonne ausgesetzt. Immerhin gelobt wird, dass die «Seerose» praktisch unzerstörbar sowie einfach zu reinigen ist (sie hat eine Spezialbeschichtung, von der sich auch Sprayereien entfernen lassen).

Die Tulpensitze am Bahnhof Aarau sind zwar ein Hingucker, werden aber oft kaputtgemacht. 
Florian Wicki 

Wieso man nicht ganz normale Sitzbänke hinstelle, fragen andere. Etwas, das offenbar auch SVP-Einwohnerrat Urs Winzenried beschäftigt: Er hat beim Stadtrat eine entsprechende Anfrage eingereicht: «Was hat den Stadtrat dazu bewogen, als Ersatz für die Tulpen-Sitze keine herkömmlichen robusten Sitzbänke, wie sie überall sonst in der Stadt anzutreffen sind, sondern teure Designer-Sessel ‹Seerose› als Spezialanfertigung für den Bahnhofplatz ins Auge zu fassen?», schreibt er.

Aus Winzenrieds Anfrage ist herauszulesen, dass er sich nicht unbedingt an der Optik stört, sondern in erster Linie am Preis. Er spricht von einer «sehr teuren Anschaffung» und will wissen, ob diese wirklich gerechtfertigt ist «in Anbetracht der Tatsache, dass der Bahnhof im Gegensatz zu den Parkanlagen kein Ort des längeren und gemütlichen Verweilens ist» und man hier meist nur kurz sitzt, um Wartezeiten zu überbrücken.

Ob der Stadtrat da keine Diskrepanz sehe zu den sechs «Schwätzbänkli», die kürzlich an verschiedenen Orten in der Stadt aufgestellt worden seien, und die, obschon explizit fürs Verweilen gedacht, «einfach und kostengünstig» gehalten seien?

«Wie rechtfertigt der Stadtrat den Preis von rund 10’000 Franken pro einzelne ‹Seerose›, was bei den geplanten 17 bis 20 Sitzgelegenheiten Gesamtkosten von 170’000 bis 200’000 Franken Steuergelder verursacht?», will Winzenried wissen, und kritisiert, dass die Stadt die Sitze eigens für den Bahnhofplatz entwickeln liess: «Waren wirklich keine kostengünstigeren Sitzgelegenheiten, die den gewünschten Zweck im gleichen Masse erfüllt hätten, auf dem Möbelmarkt erhältlich?»

Die Sitze wiegen knapp eine Tonne, können jedoch nach Bedarf verschoben werden. 
zvg

Wie Stadtbaumeister Jan Hlavica vor einer Woche ausführte, habe man lange nach einer bestehenden Lösung gesucht. Das habe sich aber unter anderem deshalb als schwierig herausgestellt, weil die Sitzelemente erstens verschiebbar sein müssen und zweitens wegen der Tiefgarage nicht allzu tief verankert werden können.