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Wut am Lenkrad endet vor Gericht – war es der Zwillingsbruder?

Ein 29-jähriger Mann steht wegen Verkehrsdelikten und falscher Anschuldigung vor Gericht. Wegen mangelnder Beweise und einer Gegendarstellung steht es am Schluss des eigentlich klaren Falls aber «Aussage gegen Aussage».

Die Anklageschrift scheint ziemlich eindeutig. Dem Dokument zufolge fuhr der Beschuldigte, Aron (alle Namen geändert), im September 2021 in Gränichen dicht hinter dem Kläger Sandro. Der Beschuldigte habe dann mehrmals gehupt und Sandro trotz knapper Platzverhältnisse überholt. Danach habe Aron abgebremst, sodass Sandro dies mit seinem Lieferwagen auch tun musste. Der Beschuldigte stieg aus seinem Sportwagen und beschimpfte den Kläger.

Kurz nach dem Vorfall informierte Sandro die Polizei und erstattete Anzeige, dabei nannte er das Autokennzeichen. Im Januar 2022 bestätigte Sandro bei einer Fotowahlkonfrontation – also der Präsentation von Bildern möglicher Verdächtiger, bei der der Kläger den Beschuldigten identifizieren soll –, dass Aron für den Vorfall verantwortlich sei.

Der Zwillingsbruder hatte Zugang

Bei der Einvernahme im April 2022 bestritt Aron jedoch, das Auto an jenem Tag gefahren zu haben. Er habe festgehalten, dass sein eineiiger Zwillingsbruder ebenfalls Zugang zum Fahrzeug hat. «Diese Anschuldigung wiederholte der Beschuldigte, nachdem er seitens der Verfahrensleitung (Oberstaatsanwaltschaft) nochmals ausdrücklich auf den Tatbestand der falschen Anschuldigung aufmerksam gemacht worden war», heisst es in der Anklageschrift weiter.

Da der Bruder mittels Kontoauszug und Arbeitsrapport beweisen konnte, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls im Baselbiet war, wurde Aron zusätzlich zu den Taten im Zusammenhang mit dem Vorfall der falschen Anschuldigung beschuldigt.

Insgesamt wird Aron mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln, mehrfache einfache Verletzung der Verkehrsregeln, Nötigung, Beschimpfung und falsche Anschuldigung vorgeworfen. Dafür forderte die Oberstaatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren erhalten und eine Busse über 3900 Franken.

Bekanntes Gesicht, anderer Vorfall

Das will der Beschuldigte nicht hinnehmen. Anders als in Sandros Ausführungen ist sich Aron sicher, dass der Kläger ihn nicht nur von der Fotowahlkonfrontation kennt. «Er weiss, wer ich bin, er wohnt zwei Minuten von mir weg», so der Beschuldigte. Beim in der Anklageschrift geschilderten Vorfall sei er nicht am Lenkrad gesessen. Zu der Zeit sei er bei der Arbeit im Kanton Zürich gewesen. Sein Arbeitsrapport war im Gegensatz zu dem seines Bruders jedoch eine Selbstdeklaration.

Zu einer Streiterei zwischen den beiden sei es – ebenfalls im September 2021 – auf dem Parkplatz beim McDonalds in Reinach gekommen, wie Aron erzählt: «Er parkierte mit seinem Lieferwagen so nahe an meinem Auto, dass ich nicht einsteigen konnte. Dann kam es zum Wortgefecht.»

Keine Entschädigung

Die falsche Anschuldigung seines Bruders streitet der Beschuldigte ebenfalls ab. «Ich habe ihn nie beschuldigt, ich habe nur gesagt, es könnte sein, dass er das Auto gefahren hat, weil er Zugang hat», sagt Aron während der Befragung. Im Plädoyer bestätigt sein Anwalt diese Aussage mit Zitaten aus der Befragung.

Zum Tathergang haben weder der Beschuldigte noch der Kläger weitere Beweise. Dem Gerichtspräsidenten Andreas Schöb bleibt somit nichts anderes übrig, als Aron freizusprechen. «Ich weiss schlicht nicht, welche Geschichte stimmt», sagte er. Die Verfahrens- und die Anwaltskosten werden zudem von der Staatskasse übernommen. Einzig die Entschädigung für Aron (4200 Franken) wurde abgewiesen. Der Grund auch hier: mangelnde Beweise.