«Hoftötungen sollen ein Nischenprodukt bleiben»: Endinger Bauer tötet seine Tiere selbst – so denkt die oberste Tierärztin darüber
Als einziger Bauer im Kanton Aargau hat Markus Hauenstein aus Endingen das nötige Fachwissen, um seine Rinder und Schweine selbst zu betäuben und töten. Barbara Thür, die oberste Veterinärin des Kantons Aargau, ordnet solche Hoftötungen im Interview ein.
Frau Thür, die Schweizer Bevölkerung isst gerne und viel Fleisch. Ist es uns egal, dass dafür Tiere sterben müssen?
Barbara Thür: Aus meiner Sicht ist der Mensch gut im Verdrängen. Den meisten Leuten ist schon bewusst, dass für ein Stück Fleisch ein Tier getötet werden muss. Die Schlachtung passiert jedoch in der Regel im Verborgenen, in Wohngebieten wird sie oft nicht mehr geduldet. Dadurch entfernt sie sich zunehmend aus dem Bewusstsein der Bevölkerung. Ich persönlich würde es begrüssen, wenn alle, die Fleisch essen, auch wissen, wie Tiere getötet und geschlachtet werden.
Klären Sie uns doch auf.
Bei einer konventionellen Schlachtung werden die Tiere lebend an den Schlachtort transportiert. Dies geschieht zum Teil über weite Strecken – in der Schweiz sind bis zu acht Stunden Transport erlaubt. Transportiert werden die Schlachttiere häufig mit ihnen unbekannten Artgenossen, im Schlachthof kommen sie dann in eine fremde Umgebung. Das ist meistens mit Stress verbunden.
Im Gegensatz dazu stehen Hof- und Weidetötungen, bei denen die Tiere auf dem Betrieb getötet werden. Sie sind in der Schweiz seit Juli 2020 erlaubt. Welche Vorteile bietet diese Art der Tötung?
Die Tiere weilen bis zu ihrem Lebensende auf dem ihnen bekannten Betrieb, der Transportstress fällt weg. Konsumentinnen und Konsumenten können sich darauf verlassen, dass das Tier in der Regel unter deutlich weniger Stress geschlachtet wurde.
Das heisst, das Tierwohl wird in den Vordergrund gerückt. Wie gross ist das Interesse an Hoftötungen bei Aargauer Landwirten?
Im Kanton Aargau haben zurzeit fünf Betriebe eine definitive Bewilligung für die Hoftötung – darunter eben der Betrieb von Markus Hauenstein, der je eine Bewilligung für Rinder und Schweine hat. Ein Betrieb hat die Bewilligung für Weidetötungen. Fünf weitere Betriebe befinden sich in der provisorisch bewilligten Phase. Aus meiner Sicht hält sich das Interesse in Grenzen.
Wie können Sie sich das erklären?
Für die Landwirte ist die Hoftötung mit grösserem Aufwand verbunden und verursacht relativ hohe Kosten – eine Bewilligung kostet einmalig bis zu 1700 Franken. Weiter müssen Hoftötungen mit allen Akteuren koordiniert werden: Es muss sichergestellt werden, dass Betäubung und Tötung korrekt ablaufen sowie die Hygiene-Vorgaben eingehalten werden. Auch für den Veterinärdienst sind Hoftötungen aufwendiger.
Aktuell dürfen zwischen Tötung und Schlachtung lediglich 45 Minuten vergehen. Warum sind die Vorgaben derart streng?
Wenn die Zeitspanne bis zum Eröffnen des Schlachttierkörpers und Entfernen der Organe zu lang ist, kann sich die Hygiene, gerade in den Sommermonaten, durch Keimvermehrung verschlechtern.
Trotzdem will der Bund diese Zeitspanne nun auf 90 Minuten verlängern. Wie denken Sie darüber?
Aus Sicht des Tierschutzes beziehungsweise um möglichst viele solche Schlachtungen zu ermöglichen, ist die Erhöhung grundsätzlich zu begrüssen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Hoftötung ein Nischenprodukt bleiben sollte, weil es sonst von der Logistik der Bewilligung und Kontrolle her kaum zu bewältigen wäre.
Unter Hoftötung versteht man das Betäuben und Ausbluten eines Tieres auf dem eigenen Bauernhof – meist durch einen Metzger mit entsprechender Ausbildung. Ziel dieser Art der Tötung ist, den Tieren den Lebendtransport zu ersparen, damit sie in ihren letzten Momenten weniger Stress erfahren. Lange waren Hoftötungen nur erlaubt, wenn das Fleisch für den Eigengebrauch bestimmt war. Seit der Bund im Juli 2020 entschieden hat, Hoftötungen auch für den Handel zu ermöglichen, haben schweizweit rund 100 Landwirtschaftsbetriebe eine Bewilligung erhalten – fünf davon im Kanton Aargau. Weitere fünf befinden sich in der provisorisch bewilligten Phase.Die Richtlinien für Hoftötungen sind streng, die Parameter dafür vom Bund vorgegeben. So dürfen etwa zwischen der Betäubung und dem Ausbluten lediglich 60 Sekunden vergehen. Zwischen Betäubung und Schlachtung sind es 45 Minuten. Diese Voraussetzungen hindern viele Betriebe daran, Hoftötungen durchzuführen. Aktuell gibt es Bestrebungen, diese Zeitspanne auf 90 Minuten zu verlängern.