Ehemann würgt seine Frau, bis ihr schwarz vor Augen wird – trotzdem verzeiht sie ihm
Eine Ehefrau findet auf dem Handy ihres Mannes Fotos, Videos und Chats mit anderen Frauen. Als sie ihn damit konfrontiert, kommt es in der Wohnung der Familie in der Region Baden zur Eskalation. Der Mann attackiert an jenem Tag im Juni 2021 – das ist die Version der Staatsanwaltschaft – seine Ehefrau. Erst schlägt er sie mit seinen Fäusten auf den Kopf und ihren Körper, drückt sie in der Küche zu Boden und zerrt sie ins Schlafzimmer. Er bringe sie um, sagt er ihr dort. Er schlägt sie erneut mit der Faust, packt sie am Hals und würgt sie. Und lässt von ihr ab.
Sie öffnet das Fenster und will um Hilfe schreien. Doch er drückt das Fenster wieder zu und würgt sie nochmals. Sie habe Todesangst gehabt und ihr sei schwarz vor Augen geworden, wird sie am nächsten Tag zur Polizei aussagen. Auch, dass sie weisse Punkte gesehen und grosse Schmerzen an der Würgestelle verspürt habe. Sie habe ihre Hand hochgehalten, um ihm klarzumachen, dass sie nicht mehr atmen könne. Er lässt wieder von ihr ab.
Er nahm das Risiko in Kauf, dass sie stirbt
Die Badener Staatsanwaltschaft klagte den Mann in der Hauptsache an wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. Er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Würgen zur Drosselung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und so zum Tod hätte führen können. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er das Risiko, dass seine Ehefrau stirbt, in keiner Weise habe kalkulieren und dosieren können.
Das Bezirksgericht Baden verurteilte den Ehemann im November 2022 wegen Gefährdung des Lebens, was ein tieferes Strafmass als die versuchte vorsätzliche Tötung nach sich zieht. Die dreijährige Freiheitsstrafe wurde teilbedingt ausgesprochen. 18 Monate sollte er ins Gefängnis, für weitere 18 Monate sollte eine Probezeit von 3 Jahren gelten. Zudem sprach das Bezirksgericht einen Landesverweis von 10 Jahren aus.
Ehemann kam vor sieben Jahren in die Schweiz
Der Mann, ein heute 39-jähriger Kosovare, kam 2017 in die Schweiz. Er arbeitete zuletzt auf dem Bau als Vorarbeiter. Vor Gericht brauchte er einen Dolmetscher. Ehemann und Ehefrau sind im Kosovo geboren und haben dort geheiratet. Sie hat die belgische Staatsbürgerschaft. Die Kinder sind heute fünf und sechs Jahre alt.
Die Staatsanwaltschaft focht das Urteil vor dem Obergericht an. Sie forderte 4½ Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchter vorsätzlicher Tötung sowie 15 Jahre Landesverweis. Der Ehemann forderte dagegen einen Freispruch. Er bestätigte zwar den Streit, dass er seine Frau geschubst und sie deswegen Verletzungen erlitten habe. Gewürgt oder geschlagen habe er sie aber nicht. Seine Frau habe sich mit ihrer ersten Aussage an ihm rächen wollen, weil er sie betrogen hatte.
Ehefrau ändert ihre Aussagen
Die Ehefrau sagte an einer weiteren Einvernahme, vier Tage nach dem Streit, dass ihr Mann sie an ihrer Wange geschlagen und geschubst habe. Das sei jedoch nicht gefährlich gewesen. An das Weitere danach habe sie keine Erinnerung mehr. Sie vergebe ihrem Ehemann. Das Obergericht schliesst deshalb nicht aus, dass die Frau von ihrem Ehemann beeinflusst worden ist.
Zwei Tage zuvor hatte sich dieser am Telefon bei seinem Schwiegervater über dessen Tochter beschwert. Der Vater habe ihm versprochen, dass er mit seiner Tochter spreche, damit sich alles beruhige. Der Ehemann hatte dies selbst zwei Tage nach dem Streit mit seiner Frau der Polizei zu Protokoll gegeben.
Vor Bezirksgericht verweigerte die Ehefrau die Aussage und gab an, wieder mit ihrem Mann zusammen zu sein. Vor Obergericht sagte sie dann, ihr Mann habe sie weder geschlagen noch gewürgt. Sie bestätigte ein Schreiben vom Juli 2024, dass sie ihn damals zu Unrecht mit dem Angriff beschuldigt habe.
Obergericht stützt sich auf Gutachten der Rechtsmedizin
Das Obergericht hat sein schriftliches Urteil kürzlich publiziert. Für die zwei Richter und die Richterin steht fest, dass der Mann seine Ehefrau gewürgt und damit in Lebensgefahr gebracht hat. Es stützt sich dabei auf das «vollständige, nachvollziehbare und schlüssige» rechtsmedizinische Gutachten des Kantonsspitals Aarau und ein späteres Ergänzungsgutachten. Die Ehefrau war nach ihrem Gang zur Polizei forensisch-klinisch untersucht worden.
Das Gutachten bejahte die unmittelbare Lebensgefahr. Es begründet sie nur schon mit Stauungsblutungen am rechten Trommelfell und an den Augenlidern. Das Obergericht schliesst aus, dass diese Verletzungen anders als durch das Würgen des Ehemanns entstanden sind. Eine versuchte vorsätzliche Tötung liege nicht vor. Dafür sei das Würgen nicht intensiv oder lange genug gewesen. Beispielsweise sei es nicht zu einem Urin- oder Stuhlabgang gekommen oder sei die Ehefrau bewusstlos geworden.
Das Verschulden des Mannes sei mittelschwer bis schwer, so das Obergericht. Es hat den 39-Jährigen, wie das Bezirksgericht, wegen Gefährdung des Lebens verurteilt und eine Freiheitsstrafe von 3½ Jahren ausgesprochen. Die Maximalstrafe liegt bei 5 Jahren. Beim Landesverweis belässt es das Obergericht bei 10 Jahren.