Aargauer Gewerbeverband uneins beim Covid-Gesetz: Präsident Giezendanner und FDP-Schoop dagegen, Vizepräsident Meier dafür
Normalerweise scheut sich der Aargauische Gewerbeverband (AGV) nicht, bei umstrittenen Themen klar Stellung zu beziehen. So fasste der Vorstand im Januar 2014 die Ja-Parole zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP, was in Gewerbekreisen für Irritation und Unruhe sorgte. Präsident war damals CVP-Politiker Kurt Schmid, er verteidigte die umstrittene Parole des Vorstands und sagte, dieser sei nicht SVP-lastig. Der Ausgang der Abstimmung war dann im Sinn des Gewerbevorstands: Die Initiative wurde am 9. Februar 2014 mit 50,3 Prozent Ja-Anteil knapp angenommen.
Nun kommt am 28. November erneut eine umstrittene Vorlage an die Urne: Das Covid-Gesetz, das die rechtliche Grundlage für das Zertifikat und die Fortführung von Wirtschaftshilfen für coronagebeutelte Unternehmen bildet. In einem gemeinsamen Aufruf haben sich alle Aargauer Parteien ausser der SVP für ein Ja ausgesprochen, wobei auch die Volkspartei an ihrem Parteitag knapp die Ja-Parole gefasst hat – gegen die Haltung der SVP-Spitze um Andreas Glarner und weiteren Nationalräten wie Benjamin Giezendanner.
Hinter die Ja-Empfehlung stellte sich auch die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK). Auf der Website des Aargauischen Gewerbeverbandes dagegen, der sonst bei Abstimmungen fast immer an der Seite der AIHK auftritt, findet sich keine Positionierung. Dabei war die Parolenfassung für das Covid-Gesetz bei der Vorstandssitzung vom 20. Oktober traktandiert, wie die AZ weiss.
Gewerbevorstand und FDP-Grossrat Schoop: «Vielleicht ein Nein gegeben»
«Ich war selber nicht an der Vorstandssitzung, weil ich einen anderen Termin hatte, deshalb kann ich zur Diskussion nichts sagen. Ich weiss aber, dass der Entscheid, keine Parole zu fassen, sehr knapp ausfiel. Vielleicht hätte meine Stimme den Ausschlag gegeben, dass eine Nein-Parole herausgekommen wäre», sagt FDP-Grossrat und Bauunternehmer Adrian Schoop, der Mitglied des Vorstandes ist. Schoop hat sich zuletzt mehrfach in sozialen Medien für ein Nein zum Covid-Gesetz stark gemacht; anders als seine Partei, dem Freisinn, der sich für ein Ja stark macht. Schoop:
«Ich bin kein Impfgegner, kein Coronaleugner und kein Verschwörungstheoretiker, aber ich bin entschieden gegen den faktischen Impfzwang, der durch das Zertifikat und das Ende der kostenlosen Tests entsteht.»
In seinem Unternehmen setze Schoop auf Eigenverantwortung, Abstand und Desinfektion, das habe sich in allen Wellen gut bewährt. Und Schoop hält fest: «Auch wenn das Covid-Gesetz am 28. November abgelehnt wird, bleibt das Zertifikat bis Ende März 2022, es besteht also kein Grund zur Panik.»
Gewerbeverbands-Vize und Mitte-Grossrat Meier: «Ja-Parole wäre logisch»
Andreas Meier, Mitte-Grossrat und Winzer aus Klingnau, ist Vizepräsident des Gewerbeverbandes. Er war an der Sitzung vom 20. Oktober dabei und sagt, das dreiköpfige Präsidium mit dem zweiten Vizepräsidenten Walter Häfeli und Präsident Benjamin Giezendanner habe sich nicht auf eine Empfehlung einigen können. Deshalb wurde dem Vorstand, der aus Gewerbevertretern aus den elf Bezirken sowie Vertretern wichtiger Branchen besteht, der Vorschlag unterbreitet, keine Parole zu fassen.
Dafür gab es bei der Abstimmung im Vorstand eine knappe Mehrheit, wie Meier erklärt. «Es gab natürlich auch Mitglieder wie Lukas Korner, Präsident des Apothekerverbandes, oder mich selber, die sich für ein Ja aussprachen», sagt er. Meier hätte gerne eine Ja-Parole des Gewerbeverbandes gesehen, denn aus seiner Sicht bildet das Covid-Gesetz die Basis für den Weg aus der Pandemie. Neben dem Zertifikat, das für Gastro-, Event- und Hotelleriebranche wichtig sei, weist Meier darauf hin, dass bei einem Nein auch Wirtschaftshilfen auslaufen würden. «Deshalb wäre es nur logisch, wenn der Gewerbeverband ein Ja empfehlen würde», sagt er.
Gewerbepräsident Giezendanner gegen FDP-Nationalrätin Riniker
Am Dienstagabend war Gewerbeverbands-Präsident und SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner im «TalkTäglich» von Tele M1 zu Gast, wo er mit FDP-Nationalrätin Maja Riniker über das Covid-Gesetz diskutierte. Während die Freisinnige engagiert für ein Ja warb, setzte sich der SVPler ebenso entschieden für ein Nein ein.
In der kontroversen Diskussion, moderiert von AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli, kritisierte Riniker ihren Antipoden, wie er es nur vor den Mitgliedern des Gewerbeverbandes verantworten könne, dass sich der Vorstand nicht für ein Ja zum Covid-Gesetz einsetze und damit die Fortführung der Kurzarbeitsentschädigung gefährde.WERBUNG
Riniker warnte zudem vor einem erneuten Lockdown, wenn das Zertifikat wegfalle und die Corona-Fallzahlen wieder ansteigen würden. Dann würde die Schliessung von Betrieben drohen.
Der SVP-Nationalrat sagte, diese Unterstützungsgelder seien der einzige positive Aspekt des Gesetzes. Doch er zeigte sich zuversichtlich, dass das Parlament bei einem Nein am 28. November rasch eine Lösung finden würde, um Unternehmen, die durch Corona in Not geraten sind, weiterhin zu unterstützen.
Giezendanner erklärte auch, weshalb der Gewerbevorstand keine Parole zum Covid-Gesetz gefasst hat: «Wir haben darauf verzichtet, weil es zwei Lager gibt im Verband.» Die eine Seite sei für ein Ja, weil sie die Wirtschaftshilfen hoch gewichte, die andere Seite für ein Nein, weil sie Einschränkungen der persönlichen Freiheit fürchte.