Sturzversuch, Karriereschub und Teppichklopfer: Das sind alle Präsidentinnen und Präsidenten der letzten 100 Jahre
Heute wird turnusgemässdas neue Grossrats-Präsidium gewählt. Grossratspräsident wird Markus Gabriel (SVP, Uerkheim), 1. Vize wird Urs Plüss (EVP, Zofingen), 2. Vize Ralf Bucher (Mitte, Mühlau). Wir erinnern uns in diesem Beitrag an Gabriels Vorgängerinnen und Vorgänger.
Hinweis: Die Daten stammen vom Parlamentsdienst des Grossen Rats. Die Parteizugehörigkeit wurde erst ab den 1950er-Jahren erfasst, weshalb sie in den Vorjahren hier fehlt. Vereinzelt sind Namen unvollständig.
2024: Mirjam Kosch (Grüne, Aarau)
Ihre Wahl sei kein Glanzresultat, schrieb die Aargauer Zeitung, als die Grüne Mirjam Kosch am 9. Januar 2024 für ein Jahr zur höchsten Aargauerin gewählt wurde. Mit 119 von 133 Stimmen erreichte sie einen Ja-Anteil von 89,5 Prozent.
«Zäme» war ihr Motto für das Präsidialjahr. Sie schätze die Zusammenarbeit im Büro des Grossen Rats. «Man muss überparteilich arbeiten und aufeinander eingehen. So versteht man plötzlich auch andere Meinungen, ohne diese übernehmen zu müssen.» Es sei kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.
Nun tritt Kosch als Präsidentin des Grossen Rats ab, doch sie bleibt in einer Führungsposition: Sie übernimmt das Fraktionspräsidium der Grünen. Kosch arbeitet im Kanton Zürich als Klimaökonomin.
2023: Lukas Pfisterer (FDP, Aarau)
Was sagt es über einen Grossratspräsidenten aus,wenn ihm zur Wahl eine Rute und ein Teppichklopfer als Geschenk überreicht werden?FDP-Grossrätin Suzanne Marclay-Merz übergab Lukas Pfisterer den Teppichklopfer, damit er seine Vizepräsidentin durch den Saal schicken könne, um für Disziplin im Rat zu sorgen. Als Schmutzli verkleidet hatte Pfisterer im Vorjahr als Vizepräsident selbst mit der Rute für Ruhe gesorgt.
Er hoffe auf lebhafte Diskussionen und spontane Wortmeldungen, sagte Pfisterer in seiner Antrittsrede trotzdem. Doch wenn im Saal eine gewisse Ruhe herrsche, störe das nicht. Pfisterer arbeitet selbstständig als Rechtsanwalt.
2022: Elisabeth Burgener (SP, Gipf-Oberfrick)
Sie war die dritte und letzte Grossratspräsidentin in der Pandemie: Elisabeth Burgener. Ihre Wahlfeier in ihrem Heimatort Gipf-Oberfrick wurde deshalb auch in den Sommer verlegt. Diese Ungewissheit bei der Planung habe sie als mühsam empfunden, doch das sei ein Luxusproblem.
Schwerer wiege die ständig thematisierte Spaltung. «Diese Tendenz ist gesellschaftlich und von unserem Demokratieverständnis her problematisch», sagte die Grossratspräsidentin damals. Das Parlament trage Verantwortung: Es soll die Ratlosen und Unsicheren unterstützen und die Rahmenbedingungen für einen verträglichen Alltag in der Pandemie schaffen.
Die Sozialdemokratin wurde mit 127 von 129 Stimmen gewählt, was ein überragendes Resultat darstellt. Nach ihrem Amtsjahr als höchste Aargauerintrat Burgener im Grossen Rat zurückund wurdePräsidentin von Caritas Aargau.
2021: Pascal Furer (SVP, Staufen)
Eigentlich ist die Wahl zum Grossratspräsidenten Formsache. Doch ab und zu kommt es trotzdem zu Widerstand, so bei der Wahl von Pascal Furer. Weil erin seiner Funktion als SVP-Sekretärgegenüber einem Bürger schrieb, «die SVP würde alle Massnahmen sofort abschaffen und den Schutz auf die Risikogruppe fokussieren», erachtete ihn der Grünen-Präsident Daniel Hölzle als unwählbar.Er rief andere Parteien dazu auf, seine Wahl zu verhindern.
Es folgte aber höchstens ein kleiner Denkzettel,der koordinierte Grossangriff von links wurde kurz vor der Wahl abgeblasen.Pascal Furer wurde mit 105 von 137 möglichen Stimmen als neuer Grossratspräsident gewählt.
Das Motto des Winzers zur Wahl: «Zum Wohl!»Denn egal, wie verschieden die politischen Ansichten seien: Das «zum Wohl!» solle dafür stehen, dass «wir uns auf persönlicher Ebene gut verstehen. Das ist mir wichtig: Dass wir uns trotz aller Differenzen für den Kanton einsetzen.» Seit Januar diesen Jahres ist FurerFraktionschef der SVP im Kantonsparlament.
2020: Edith Saner (Mitte, Birmenstorf)
Als Kind war ihr Berufswunsch Schlagersängerin. Doch ihre Entdeckung als Star bliebt aus,deshalb absolvierte Edith Saner die Ausbildung zur Pflegefachfrau und baute in Bern eine Spitex-Organisation auf.Als sie in den Kanton Aargau zog, stieg Saner zufällig in die Politik ein.Saner war von 1998 bis 2018 Gemeinderätin in Birmenstorf.Während 16 Jahren war sie Frau Gemeindeammann, seit 2014 ist sie im Grossen Rat.Saner ist Präsidentin des kantonalen Gesundheitsverbands Vaka.
Schliesslich wurde Saner zur Grossratspräsidentin gewählt. Nach ihrer Zeit als höchste Aargauerin sitzt sie weiter im Aargauer Parlament.Seit Frühling 2024 ist Edith Saner gemeinsam mit Karin Koch Co-Präsidentin der Mitte Aargau.
2019: Renata Siegrist-Bachmann (GLP, Zofingen)
Renata Siegrist-Bachmann wurde 2019 zurzehnten Frau im Präsidium des Kantonsparlaments seit 1985 gewählt.Sie ist Feldenkrais-Pädagogin, weshalb der Fokus ihrer politischen Themen vor allem im Bereich Gesundheit und Soziales lagen.
Geprägt wurde Siegrist-Bachmann dadurch, dass sie in ihrer Kindheit in Zofingen Diskriminierung erfuhr, weil ihre Mutter aus dem Südtirol kam. Ausserdem lebte Siegrist-Bachmann eine Weile in Südafrika. «Es ist hierzulande den Wenigsten bewusst, wie sehr wir auf der Sonnenseite stehen, während die Menschen an den meisten Orten der Welt gegen Armut und Korruption kämpfen müssen», sagte sie gegenüber der Aargauer Zeitung. Seit 2020 ist Siegrist-Bachmann nicht mehr im Grossen Rat.
2018: Bernhard Scholl (FDP, Möhlin)
Den Besuch des Papstes in Genf nennt Bernhard Scholl als eines der Highlights seiner Amtsperiode als Grossratspräsident. Als solcher muss er nicht nur die Ratssitzungen leiten, sondern den Kanton auch gegen aussen vertreten. Deshalb nahm Scholl 2018 an rund 130 Veranstaltungen teil. So beispielsweise auch der Besuch des Parlamentes von Liechtenstein und die Gespräche mit Winfried Kretschmann Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Scholl politisierte während zwei Jahrzehnten im Aargauer Grossen Rat – mit einem Jahr Unterbruch.Von 2014 bis 2017 war er FDP-Fraktionspräsident.Ende 2024 trat Scholl zurück. Nun ist der pensionierte Chemiker noch Vorstandsmitglied der FDP Bezirk Rheinfelden, der FDP Möhlin und der FDP Senioren Aargau.
2017: Benjamin Giezendanner (SVP, Rothrist)
Als 18-jähriger Berufsmaturand wurde Benjamin Giezendanner zum jüngsten Grossrat aller Zeiten gewählt. Dies verdankte er dem Ruf seines Vaters Ulrich Giezendanner. Dieser war von 1989 bis 1991 Grossrat, ab da Nationalrat und gefühlt jede Woche in der «Arena». Manchmal nerve es, ständig auf den Vater angesprochen zu werden, sagt der Sohn gegenüber der Aargauer Zeitung. «Der Schatten ist da, aber damit habe ich mich schon längst abgefunden. Ich bin eine andere Person.»
Dabei ist ihr Weg so ähnlich: Giezendanner junior übernahm 2015 gemeinsam mit seinem Bruder die Leitung des Familienunternehmens Giezendanner Transporte AG. Wie sein Vater war er zuerst Grossrat, anders als sein Vater jedoch auch Präsident der SVP Rothrist und Grossratspräsident. 2019 wurde Benjamin Giezendanner, wieder wie sein Vater, Nationalrat.
2016: Marco Hardmeier (SP, Aarau)
Seine Amtszeit beendete Marco Hardmeier mit einer romantischen Ankündigung: «Das letzte Danke, jedoch das allergrösste, geht an einen ganz speziellen Menschen», sagte Hardmeier bei seiner Abschiedsrede als Grossratspräsident.«Ich freue mich, nach dannzumal über 19 Jahren in rund einem halben Jahr in einen ganz speziellen Hafen einfahren zu dürfen. Danke Angelo.»
Die Worte richteten sich an seinen Lebenspartner Angelo Barrile, Hausarzt und Zürcher SP-Nationalrat. Im ersten Halbjahr 2017 liessen die beiden ihre Partnerschaft eintragen, feierten also sozusagen die Hochzeit für gleichgeschlechtliche Paare.
Hardmeier wurde 2020 als Grossrat abgewählt. Er arbeitet als Schulleiter der Primarschule Zehntendorf.
2015: Markus Dieth (CVP/Mitte, Wettingen)
Als Kind war der Kanton Aargau seine Feriendestination,für das Jura-Studium in Zürich zog der Davoser dann nach Wettingen, wo die Schwester seiner Mutter wohnte. Mittlerweile sagt Dieth: «Im Herzen bin ich Wettinger und Aargauer.»
Im Aargau wurde Dieth Gemeindeammann, Grossrat, Grossratspräsident, Regierungsrat und schliesslich auch Landammann. Seine politische Karriere, inzwischen präsidiert er die Konferenz der Kantonsregierungen, macht Dieth zu einem der bekannteren ehemaligen Grossratspräsidenten des Kantons.
2014: Thierry Burkart (FDP, Baden)
Thierry Burkart wurde 2001 wurde in den Grossen Rat gewählt, den er 2014 präsidierte. Von 2010 bis 2013 war der Badener auch Präsident der FDP Aargau. Damals galt er als «der kommende Mann der FDP».
Nun ist Thierry Burkart einer der bekanntesten Aargauer Politiker. Seit 2021 ist er Präsident der FDP Schweiz – und bringt die Partei zunehmend auf rechten Kurs. Während Burkart kurz vor seiner Wahl zum Grossratspräsidenten noch«ich bin gegen eine Abschottung der Schweiz» sagte, nähert er sich nun vor allem in Asylfragen der SVP an. Damit macht er sich auch in der eigenen Partei nicht nur Freunde. Burkart war von 2015 bis 2019 Nationalrat, ist seit 2019 Ständerat und arbeitet als Rechtsanwalt.
Die weiteren Präsidentinnen und Präsidenten:
2013: Vreni Friker-Kaspar (SVP, Oberentfelden)
2012: Kathrin Scholl-Debrunner (SP, Lenzburg)
2011: Theo Voegtli (CVP, Kleindöttingen)
2010: Patricia Schreiber-Rebmann (Grüne, Wegenstetten)
2009: Herbert H. Scholl (FDP, Zofingen)
2008: Walter Markwalder (SVP, Würenlos)
2007: Heinrich Schöni (SP, Aarburg)
2006: Esther Egger-Wyss (CVP, Kirchdorf)
2005: Corina Eichenberger (FDP, Lenzburg)
2004: Thomas Lüpold (SVP, Möriken)
2003: Barbara Roth (SP, Erlinsbach)
2002: Peter Müller (CVP, Magden)
2001: Hans Bürge-Ramseier (EVP, Safenwil)
2000: Hans Ulrich Fischer (FDP, Meisterschwanden)
1999: Reinhard Gloor (SVP, Birr)
1999: Urs Hofmann (SP, Aarau, 1. Quartal)
1998: Kurt Wernli (SP, Windisch)
1997: Andreas Brunner (CVP, Unterentfelden)
1996: Rudolf Rohr (FDP, Würenlos)
1995: Ernst Frey (SVP, Kaiseraugst)
1994: Erich Schnyder (SP, Aarburg)
1993: Elisabeth Sailer-Albrecht (CVP, Widen)
1992: Dieter Deiss (FDP, Laufenburg)
1991: Kurt Oldani (SVP, Tägerig)
1990: Hans Ulrich Salm (SP, Veltheim)
1989: Alfons Widmer (CVP, Untersiggenthal)
1988: Dora Bärtschi (FDP, Böttstein)
1987: Viktor Würgler (SVP, Schlossrued)
1986: Hans Zbinden (SP, Baden)
1985: Elisabeth Schmid (CVP, Stein)
1984: Victor Rickenbach (FDP, Baden)
1983: Jakob Hüssy (SVP, Safenwil)
1982: Kurt Theiler (SP, Rheinfelden)
1981: Walter Leuthard-Weber (CVP, Merenschwand)
1980: René Müller (FDP, Möhlin)
1979: Walter Geiser (SVP, Unterkulm)
1978: Robert Locher (SP, Ehrendingen)
1977: Beda Humbel (CVP, Birmenstorf)
1976: Werner Vogt (FDP, Villigen)
1975: Isidor Bürgi (SVP, Frick)
1974: Walter Weber (SP, Strengelbach)
1973: Max Knecht (CVP, Wettingen)
1972: Walter Leber (FDP, Zofingen)
1971: Franz Metzger (SVP, Möhlin)
1970: Hebert Zehnder(SP, Lenzburg)
1969: Walter Edelmann ( – , Bad Zurzach)
1968: Karl Aeschbach (FDP, Muhen)
1967: Hans Roth (SVP, Erlinsbach)
1966: Otto Zeller (SP, Biberstein)
1965: Max Mühlebach (CVP, Umiken)
1964: Max Müller FDP, Baden)
1963: Walter Baumann (SVP, Schafisheim)
1962: Alber Räber (SP, Baden)
1961: Robert Reimann (CVP, Wölflinswil)
1960: Walter Widmer (FDP, Lenzburg)
1959: Hermann Fricker (SVP, Oberhof)
1958: Ernst Haller (SP, Windisch)
1957: Max Kuhn (CVP, Wohlen)
1956: Erich Zimmerlin (FDP, Aarau)
1955: Karl Steiner (SVP, Oberkulm)
1954: Adolf Richner (SP, Oftringen)
1953: Hans Birchmeier (CVP, Künten)
1952: Bruno Beetschen (Rheinfelden)
1951: Hans Strahm (Brugg)
1950: Jakob Wernli (Rheinfelden)
1949: Paul Hausherr (Bremgarten)
1948: Ernst Kistler (Brugg)
1947: Otto Riniker (Schinznach-Dorf)
1946: Albert Graf (Menziken)
1945: Paul Schib (Möhlin)
1944: Hans Rei (Fahrwangen)
1943: Rudolf Baumann (Leutwil)
1942: Adolf Gloor (Aarau)
1941: Max Rohr (Baden)
1940: Max Hemmeler (Lenzburg)
1939: Ernst Aebi (Brugg)
1938: Benedikt Fuchs ((Buchs)
1937: Adolf Wirth (Hägglingen)
1936: Ernst Haller (Aarau)
1935: F. Laager (Aarau)
1934: Walter Kohler (Rothrist)
1933: Gustav Küchler (Muri)
1932: (?) Bruggisser (Wohlen)
1931: Jakob Baumann (Schafisheim)
1930: Arthur Schmid (Oberentfelden)
1929: Xaver Stöckli (Boswil)
1928: Robert Senn (Baden)
1927: Fritz Zaugg (Brugg)
1926: Hermann Müri (Turgi)
1925: Karl Laube (Bad Zurzach)