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Wie der Argovisaurus zu seinem Namen kam – und warum er kein Delfin ist

Das vollständigste Fischsaurier-Fossil der Welt wurde 2006 in Auenstein entdeckt. Erst im März dieses Jahres jedoch wurde der Fund des Argovisaurus bekannt. Prof. Dr. Christian Klug, Autor der Studie, erklärt, warum es so lange gedauert hat und warum der Saurier nach dem Aargau benannt wurde.

Der Fund des Argovisaurus wurde vergangene Woche in dieser Zeitung als kleine Sensation vermeldet. Diesem Superlativ kann Christian Klug zustimmen. «Wie oft hat man das schon, dass man einen Saurier findet?», fragt er rhetorisch. Tatsächlich sind aus der Schweiz derzeit nur 13 Fischsaurier-Arten bekannt. Es handelt sich um besondere Saurier, die jedoch keine Dinos sind. «Eine neue Gattung und Art aus der Schweiz ist also schon etwas sehr Besonderes», so der Paläontologe der Universität Zürich.

Im Interview gibt der Autor der Argovisaurus-Studie Einblicke in den Prozess, der für die virtuelle Nachbildung notwendig war, und erklärt, warum die Bezeichnung «Urzeit-Delfin» nicht ganz korrekt ist.

Herr Klug, Erste Versteinerungen des Argovisaurus wurden schon etwa 2006 entdeckt. Richtig bekannt wurde der Fund aber erst jetzt, also 18 Jahre später. Warum dauerte das so lange?

Der Finder war sich lange nicht sicher, was er damit machen soll und hat mich erst 2018 informiert. Wir haben dann 2019 eine Nachgrabung durchgeführt und noch zwei Schädelknochen gefunden. Erst danach haben wir das Skelett erworben, weil wir zunächst unsicher waren, ob der Schädel enthalten ist.

Es war dann sogar der ganze Schädel vorhanden.

Ja, aber das wurde erst später, während der langwierigen, drei Jahre dauernden Präparation deutlich. Die Schädelrekonstruktion benötigte noch einmal fast zwei Jahre, weil zunächst die Einzelknochen in 80 Computertomografien gescannt wurden. Die Leiche lag lange zwischen zwei untermeerischen Dünen im von den Gezeiten beeinflussten Bereich, weswegen die Knochen nicht mehr perfekt zusammenhingen, sondern etwas verstreut lagen.

Gab es weitere Schwierigkeiten?

Die anschliessende Segmentierung (Bearbeitung der Bildstapel) und die virtuelle Montage der Knochen waren ebenfalls extrem aufwendig. Hier waren die grossen Datenmengen das Problem und dass einer der Kieferknochen durch eine grosse, verheilte Bisswunde stark deformiert war. Zudem haben zwei der Hauptbearbeiter, Feiko Miedema und Dylan Bastiaans, diese Arbeit parallel zu ihrer Dissertation gemacht, weswegen sie erhebliche Wochenarbeitszeiten hatten.


Zur Person

Prof. Dr. Christian Klug ist Titularprofessor und Kurator am Paläontologischen Institut und Museum in Zürich. Zusammen mit Feiko Miedema, Dylan Bastiaans, Torsten M. Scheyer und Erin E. Maxwell ist er Autor der Studie zum Argovisaurus. Klug ist als eingebürgerter Schweizer mit Bürgerort Wettingen auch persönlich mit dem Aargau verbunden.

Was macht den Fund des Argovisaurus so besonders?

Christian Klug: Da gibt es mehrere Punkte. Zunächst sind weltweit aus dem Bajocien (Stufe im Mitteljura) nur sehr wenige Reste dieser Fischsaurier überliefert. Der Argovisaurus stammt aus dieser Zeit und ist dabei der grösste und vollständigste Fund. Zudem konnte mein Kollege Feiko Miedema zeigen, dass der Argovisaurus der ursprünglichste Vertreter der Ophthalmosauriden («Augenechsen») ist. Dabei handelt es sich um die letzte Gruppe von Fischsauriern, die als einzige im Mitteljura überlebte, dann aber vor etwa 94 Millionen Jahren ausstarb. Und nicht zuletzt sind die Schädelknochen in 3D erhalten und ermöglichten uns eine Rekonstruktion des Schädels.

Ein Schädel, der eine ziemliche Grösse aufweist. Wie sah der Argovisaurus aus?

Die Schädellänge ist mit über 1,30 Metern auf der grossen Seite, mit einer sehr langen, schmalen und hohen Schnauze. Die Brust- und Bauchflossen sind nicht erhalten, waren aber wohl eher kurz, während die Schwanzflosse wohl sehr hoch war.

Bilder der Rekonstruktion erinnern an einen Delfin. Gibt es Gemeinsamkeiten?

Die Gemeinsamkeiten kommen von Ähnlichkeiten in der Lebensweise. Es gibt aber auch einige gewichtige Unterschiede. So sind Delfine Säuger, Fischsaurier dagegen sind Reptilien. Beide stammen aber von Landwirbeltieren ab und sind daher Lungenatmer. Das heisst, sie müssen auftauchen, um Luft zu holen. Beide haben auch Brustflossen. Die hinteren Extremitäten dagegen sind bei Delfinen stark reduziert und am Schwanz befindet sich eine horizontale Flosse, während Fischsaurier ein zweites Flossenpaar tragen und die Schwanzflosse senkrecht steht. Und während Delfine ein raffiniertes Sonarsystem entwickelt haben, hatten die Fischsaurier riesige Augen, mit denen sie auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch sehen konnten.

Beifund: Ein Urtintenfisch

Neben den Knochen des Argovisaurus lag der Rest eines zehnarmigen Tintenfisches, eines sogenannten Belemniten der Gattung Megateuthis. Es ist die grösste Belemniten-Gattung aller Zeiten. Diese Urtintenfische wurden bis maximal drei Meter lang und waren bestimmt ein willkommenes Futter für Meeresreptilien wie den Argovisaurus. Zwischen den Knochen lagen ausserdem Zähne von Meereskrokodilen, die wahrscheinlich an der Leiche geknabbert haben.

Nun kann man den Argovisaurus in Zürich bestaunen. Welche Bedeutung hat das für Sie und das Naturhistorische Museum Zürich?

Es freut uns natürlich, ein weiteres bedeutendes Wirbeltier aus der Schweiz präsentieren zu können. Schön ist auch, dass sich einige spannende Geschichten damit verbinden lassen, wie zum Beispiel die Bissspuren von Krokodilen, die verheilten Verletzungen, der Riesen-Belemnit, der neben dem Skelett lag, und die stammesgeschichtliche Stellung.

Wie kam der Argovisaurus eigentlich zu seinem Namen?

Nachdem der erste Schweizer Raubsaurier mit Notatesseraeraptor einen recht komplizierten Namen bekommen hatte, dachten wir, es wäre schön, den Aargau, der immer mehr zum Saurier-Kanton wird, zu ehren.

Erwarten Sie nun besonders viele Besucher aus dem Aargau?

Das wäre natürlich schön. Zurzeit ziehen aber auch die neuen Dinos vermehrt Gäste an. Um Missverständnisse zu vermeiden: Fischsaurier sind nicht Dinosaurier.