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Im Militär, beim Arzt, auf Instagram: Wie das Volk nach einem Ja an der Urne über die Organspende aufgeklärt werden soll

Nach einem Ja zur erweiterten Widerspruchslösung am 15. Mai müssen sich alle, die nach ihrem Tod keine Organe spenden wollen, in ein Register eintragen. Das erfordert eine umfassende Informationskampagne. Bereits liegen erste Pläne vor.

«Wollen Sie nach Ihrem Tod Organe spenden?» Genau diese Frage stellt sich für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, wenn das Volk die Änderung des Transplantationsgesetzes an der Urne gutheisst. Denn: Stimmt die Bevölkerung am 15. Mai der Einführung der erweiterten Widerspruchslösung zu, muss sich jeder, der nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, zeitlebens in einem Register eintragen.

In der Niederlande trat die Widerspruchslösung am 1. Juli 2020 in Kraft. Dafür hat das Land bereits 2018 ein zentrales Spenderregister aufgebaut, in welches jeder volljährige Bürger der Niederlande automatisch aufgenommen wird. Wenn eine Person 18 Jahre alt wird, erhält sie vom Staat einen Brief mit der Aufforderung, ihren Willen im Spenderregister festzuhalten. Zur Auswahl stehen vier Möglichkeiten: 1. Ja, ich möchte Spender werden. 2. Nein, ich möchte kein Spender werden. 3. Meine Partnerin oder meine Familie entscheidet für mich.4. Ich benenne eine Person, die für mich entscheidet.

Kommt die Person der ersten Aufforderung nicht nach, folgt ein zweiter Brief. Wenn auch sechs Wochen nach Erhalt dieses Briefs kein Entscheid im Register eingetragen wurde, gilt die Person als potenzielle Spenderin. Über diesen Eintrag im Register wird sie wiederum informiert.

Diese vier Möglichkeiten können im Spenderregister der Niederlande gewählt werden.
Bild: Donorregister.nl

Schon jetzt kursieren unter den Befürwortern des Systemwechsels erste Vorschläge, wie es gelingen könnte, alle über 16-Jährigen über die Organspende aufzuklären und sie zu einem Entscheid zu motivieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erklärt auf Anfrage, der Bund werde «bei Annahme der Vorlage regelmässig über viele verschiedene Kanäle in einer einfach verständlichen Sprache darüber informieren». Konkret will das BAG die Bürgerinnen und Bürger über Fernsehen, Printzeitungen und Online-Medien sowie Plakate und die sozialen Medien erreichen. Das Ziel werde sein, «die Bevölkerung über den Wechsel zur Widerspruchslösung zu informieren» und jene Personen, die ihre Organe nicht spenden wollen, auf den Registereintrag hinzuweisen.

Mit dem Hausarzt gleich noch über die Organspende sprechen

Da das BAG aufgrund der noch ausstehenden Abstimmung kein fixfertiges Kommunikationskonzept vorliegen hat, ist die konkrete Umsetzung der Aufklärungskampagne noch offen. Sicher ist aber, dass der Bund mit anderen Akteuren zusammenspannt. So sollen Informationen etwa via Arztpraxen, Drogerien und Apotheken Informationen gestreut werden. Auch Swisstransplant wird weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen.

Der Berufsverband der Ärztinnen und Ärzte (FMH) empfiehlt schon heute das Ausfüllen einer Patientenverfügung – idealerweise «gemeinsam mit einer Gesundheitsfachperson», wie Charlotte Schweizer, Leiterin Kommunikation, sagt. In diesem Zusammenhang könne auch die Einwilligung oder Ablehnung einer Organspende festgehalten werden.

Genau wie das BAG zieht auch die FMH in Betracht, die Hausärzte in den Aufklärungsprozess einzubinden: «Sie können ihre Patienten beispielsweise im Rahmen einer Konsultation beraten und so zu einem informierten Entscheid befähigen», so Schweizer.

Gegner fordern umfassende Aufklärung

Trotz der zahlreichen Vorschläge der Befürworter hat Alex Frei, Co-Präsident des Referendumskomitees gegen die Widerspruchslösung, grosse Bedenken: «Es ist absolut unmöglich, über sechs Millionen Menschen in der Schweiz lückenlos zu erreichen. Da kann die Kampagne noch so intensiv sein.» Für den pensionierten Arzt aus Winterthur reicht ein Prospekt im Wartezimmer der Arztpraxis nicht aus: Es sei der ärztlichen Aufklärungspflicht geschuldet, «dass alle von medizinischen Fachpersonen umfassend und neutral über eine Organentnahme und das Prinzip des Hirntods aufgeklärt werden, damit sie sich informiert entscheiden können».

Frei moniert weiter, dass die Coronapandemie bereits eindrücklich gezeigt habe, dass «der Bund mit Informationskampagnen niemals alle Menschen erreichen» könne. Darunter litten erfahrungsgemäss vor allem sozial benachteiligte Personen oder Fremdsprachige, so Frei.

Doch diesen Vorwurf lässt das BAG nicht gelten: Die Informationen sollen in den «am meisten verbreiteten Sprachen der Migrationsbevölkerung» vorliegen und auch über deren Medien und Netzwerke gestreut werden.