Verarmt die Schweiz? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Umweltverantwortungs-Initiative
Worum geht es bei der Initiative?
Die Umweltverantwortungs-Initiative fordert, dass die Schweizer Wirtschaft nur noch so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen darf, wie das die Natur verkraftet. Es geht aber auch um den Konsum. Konkret müsste die Politik die Produktion und den Import von Waren innerhalb von zehn Jahren nach Annahme der Initiative so stark einschränken, dass die Schweiz die sogenannten planetaren Belastungsgrenzen nicht mehr überschreitet. Dabei handelt es sich um eine von internationalen Forschenden entwickelte Messgrösse, die aufzeigt, ab welchem Punkt die Umweltbelastung bleibenden Schaden hinterlässt und die Lebensgrundlagen gefährdet. Der Initiativtext hält auch fest, dass die getroffenen Massnahmen «sozialverträglich» sein müssten.
Wer steht dahinter?
Eingereicht haben die Initiative die Jungen Grünen vor knapp zwei Jahren. Das Volksbegehren habe eine Zukunft zum Ziel, «in der alle Menschen ein gutes Leben führen können», so die Jungpartei. Dazu gehörten lokale Lebensmittel, eine intakte Umwelt, existenzsichernde Arbeitsplätze «und mehr Zeit für Gemeinschaft statt Stress». Dem Unterstützungskomitee der Initiative gehört die Mutterpartei an sowie SP, EVP und zahlreiche Umweltorganisationen.
Wie steht die Schweiz denn heute in Sachen Umweltbelastung da?
Der ökologische Fussabdruck der Schweiz ist heute unbestritten zu hoch. Sie überschreitet, gemessen am Bevölkerungsanteil, in mehreren Bereichen die planetaren Belastungsgrenzen, und zwar massiv, wie Zahlen des Bundes zeigen. 2021 beliefen sich die Treibhausgas-Emissionen pro Kopf und Jahr beispielsweise auf rund 13 Tonnen CO2-Äquivalente, Importe miteingerechnet. Laut dem Bundesamt für Umwelt dürften es unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen nicht mehr als 0,6 Tonnen sein. Auch in Sachen Biodiversität oder Stickstoffbelastung müsste die Schweiz grosse Anstrengungen unternehmen, um die Ziele zu erreichen. Die Gesamt-Umweltbelastung müsste laut einer Studie, die im Auftrag des Bundes erstellt worden ist, um rund zwei Drittel sinken.
Am stärksten setzen Wohnen und Essen der Umwelt zu, gefolgt von der Mobilität. In den vergangenen zwanzig Jahren ist der ökologische Fussabdruck bereits deutlich geschrumpft, und zwar um rund einen Viertel. Der Konsum der Schweizerinnen und Schweizer belastet vor allem die Umwelt im Ausland, zum Beispiel durch die Produktion von Gütern, die in die Schweiz importiert werden.
Wie konkret soll das Ziel erreicht werden?
Das lässt die Initiative offen. Die konkreten Massnahmen – namentlich neue Vorschriften, Verbote oder Anreize – müsste das Parlament beschliessen. Klar ist, dass es drastische Mittel bräuchte angesichts der kurzen Umsetzungsfrist von zehn Jahren. Der Bundesrat warnt vor «rigorosen Regulierungs- und Anreizmassnahmen», der Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und «weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen».
Die Initianten streben einen grundsätzlichen Umbau der Wirtschaft an – «weg von Grosskonzernen, die nur für ihren eigenen Profit arbeiten, hin zu mehr Wohl für Mensch und Umwelt». Dieser Umbau erfordere ein mutiges öffentliches Investitionsprogramm: «Wir müssen in ökologische Infrastruktur wie erneuerbare Energie, Fuss- und Velowege investieren.» Zudem brauche es eine Ausbildungsoffensive und die Förderung nachhaltiger Arbeitsplätze. Konkreter werden die Initianten nicht.
Die Gegner der Initiative warnen vor einem Wohlstandsverlust und massiven Preissteigerungen etwa bei Milchprodukten, Fleisch, den Wohn-, Heizungs- oder Mobilitätskosten. Die Initianten bestreiten dies nicht, schreiben aber dazu, dass diese Perspektive ignoriere, dass durch die Untätigkeit in Bezug auf die Klimakrise weitaus höhere Kosten entstünden.
Was halten Bundesrat und Parlament davon?
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Bundesrat Albert Rösti warnte am Donnerstag an einer Medienkonferenz vor einem weitgehenden Wohlstandsverlust. Ein Ja zur Initiative hätte gravierende Folgen. Der Konsum müsste innerhalb von zehn Jahren um zwei Drittel reduziert werden und Firmen würden ins Ausland abwandern. Zwar forderten die Initianten eine sozialverträgliche Umsetzung, doch die Reduktion des Konsums würde die gesamte Bevölkerung treffen, so Rösti.
Was schlägt der Bundesrat als Alternative vor?
Bundesrat Rösti betont, die sei Schweiz nicht untätig. Sie muss bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen. Das heisst, dass ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden. Zudem hat das Parlament soeben das C02-Gesetz revidiert, und die Bevölkerung hat dem Stromgesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien zugestimmt. Ebenfalls verschärft wurde das Umweltschutzgesetz, und die Kreislaufwirtschaft wird vorangetrieben.