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Wenn Streamingdienste neu die Schweizer Filmszene unterstützen müssen, steigt dann der Preis meines Netflix-Abos?

Am 15. Mai stimmt die Bevölkerung über das revidierte Filmgesetz ab, das die hiesige Branche mit weiteren Millionen unterstützen soll. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und zeigen, wer dafür und wer dagegen ist.

Warum muss die Bevölkerung über das Filmgesetz abstimmen?

Schweizer Fernsehsender sind seit 2007 verpflichtet, vier Prozent ihres Umsatzes in Schweizer Filme und Serien zu investieren. In den letzten Jahren verlagerte sich das Fernsehen aber zunehmend zu Streamingdiensten, die bisher keinen Beitrag ans hiesige Filmschaffen leisten.

Das neue Gesetz will nun ausländische Anbieter wie Netflix, Sky und Co. verpflichten, ebenfalls vier Prozent ihres in der Schweiz erwirtschafteten Umsatzes in Schweizer Filme und Serien zu investieren oder einen Ersatzbeitrag an die Filmförderung abzugeben. Den Entscheid fällte das Parlament 2021. Weil gegen die Änderung das Referendum ergriffen wurde, kommt es nun zur Abstimmung.

Wieso braucht der Schweizer Film finanzielle Unterstützung?

Bundesrat und Parlament sind überzeugt, dass die Filmbranche allein schon wegen ihrer Kleinräumigkeit und sprachlichen Vielfalt auf Unterstützung angewiesen ist. Bund und Regionen zahlten gemäss Angaben des Bundesamts für Kultur (BAK) zwischen 2017 und 2020 im Schnitt 39 Millionen, die SRG und private Sender 42 Millionen und über private Finanzierung kamen weitere 24 Millionen Franken hinzu.

Das macht 105 Millionen Franken pro Jahr. Häufig ist von 120 Millionen die Rede, was dem Finanzvolumen von 2019 entspricht. Dieses soll nun um weitere 18 Millionen Franken aufgestockt werden.

Wer finanziert das?

Zu einem grossen Teil soll das Geld von den ausländischen Streaminganbietern kommen. Zahlen müssen neu auch ausländische Fernsehsender, die in der Schweiz Werbung schalten.

Steigen also die Preise für die Streaming-Abos?

Ob die Streaminganbieter die zusätzlichen Aufwände auf die Abonnenten abwälzen, lässt sich nicht vorhersehen. Das entscheidet jeder Dienst für sich. Das BAK hat in einem Vergleich mit anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien, die sogar deutlich höhere Investitionspflichten kennen, bisher keinen Aufpreis bei den Streaming-Abos feststellen können.

Was ändert sich sonst für Konsumenten?

Das Gesetz verpflichtet Streamingdienste nicht nur dazu, vier Prozent ihres hiesigen Umsatzes in Schweizer Filme zu inves­tieren. Sie müssen neu auch mindestens 30 Prozent europäische Produktionen in ihrem Angebot haben. Eine Quote für Schweizer Filme gibt es hingegen nicht.

Werden Schweizer Filme überhaupt nachgefragt?

Tatsächlich werden Schweizer Filme bei Streamingdiensten kaum nachgefragt. Nicht einmal 1 von 200 angeschauten Filmen oder Serien stammte 2020 aus der Schweiz. Allerdings gelangten Kassenschlager wie «Wolkenbruch» erst mit einer grossen Verzögerung auf Streamingplattformen – also nachdem den Film schon viele gesehen hatten.

«Tschugger», «Frieden», «Die göttliche Ordnung» – Schweizer Filme und Serien sind durchaus populär. Wieso braucht es für sie mehr Geld?

Den Befürwortern des Gesetzes geht es zwar um Schweizer Filmförderung – Geld spielt da selbstredend eine Rolle. Doch eben nicht nur. Die Pflicht, zu investieren, soll ausländische Anbieter dazu bewegen, auch grössere Kisten in der Schweiz zu produzieren. Diese steht gegenüber jenen europäischen Ländern im Nachteil, die eine Investitionspflicht kennen. Die Folge davon: Anbieter wie Netflix produzieren eher in Frankreich oder Spanien, weil sie sowieso investieren müssen.

Wieso haben die Jungfreisinnigen zusammen mit anderen Jungparteien das Referendum ergriffen?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Sie befürchten einerseits, dass die Abopreise steigen. Zweitens lehnen sie es ab, dass der Staat den Anbietern vorschreibt, welche Filme und Serien sie den Zuschauerinnen anzubieten haben. Der Abonnent zahle für das beste Angebot, nicht für ein staatlich gesteuertes. Drittens würden Privatsender wie 3+, der wie diese Zeitung zu CH Media gehört, geschwächt.

Eigene Produktionen wie «Sing meinen Song» werden nicht als Investition angerechnet, der Sender muss trotzdem Teile seines Umsatzes abgeben. Aus diesen und auch anderen Gründen entstand das Referendum. Nebst den Jungparteien der FDP, der Mitte, der GLP und der JSVP unterstützen bisher die SVP, die FDP, der Gewerbeverband und das Konsumentenforum ein Nein.

Was halten dem die Befürworter entgegen?

Sie wollen vorab den Schweizer Film und die Filmszene stärken. Sie argumentieren mit «gleich langen Spiessen» einerseits zwischen inländischen Fernsehsendern und Streaminganbietern, welche heute satte Gewinne in der Schweiz erzielen, aber nichts investieren. Andererseits zwischen Filmschaffenden: Auch Schweizerinnen und Schweizer sollen die Chance haben, grosse Produktionen zu realisieren.

Und: Schweizer Produktionen seien letztlich identitätsstiftend sowie gute Werbung für das Land. Das fördere den Tourismus und das Gewerbe – und sichere Arbeitsplätze. Nebst SP, Grünen, GLP und Mitte unterstützen auch FDP-Politiker zusammen mit Filmschaffenden das revidierte Gesetz.