Nach Umfragen-Chaos: Jetzt kippt die BVG-Reform ins Nein – diesmal scheint der Trend eindeutig
Ist die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG-Reform) noch zu retten? Wohl kaum, wenn man der zweiten Umfrage-Welle der SRG glaubt.Die jüngste Befragung von Herr und Frau Schweizer sagt der Vorlage von Bundesrat und Parlament am 22. September nämlich noch einen Ja-Stimmenanteil von 42 Prozent voraus(bei 7 Prozent Unentschlossenen). Oder in anderen Worten: Sie kippt nun ebenfalls ins Nein.
Zum Vergleich:Vor Monatsfrist, bei der ersten Befragungswelle im Auftrag des staatlichen Radios und Fernsehen, hatte der Ja-Stimmenanteil immerhin noch bei 49 Prozent gelegen (bei 12 Prozent Unentschlossenen).Entsprechend spricht das Umfrageinstitut gfs.bern im laufenden Abstimmungskampf inzwischen denn auch unzweideutig von einem «Nein-Trend». Der letzte Hoffnungsfunken für die Befürworter der BVG-Reform scheint also erloschen.
Vor Monatsfrist kontrastierten die Ergebnisse der SRG-Umfrage nämlich deutlich mit den kurz zuvor publizierten Ergebnissen der ersten Umfrage vonTamedia und «20 Minuten» zu derselben Abstimmung. In deren Befragung hatten 59 Prozent der Stimmberechtigten erklärt, «sicher» oder «eher» ein Nein einlegen zu wollen.Das Umfragen-Chaos war perfekt.
Was sagt diesmal die Konkurrenz-Umfrage?
Auch diesmal sagt die Befragung des Umfrageinstituts LeeWas zur BVG-Reform erneut einen Nein-Stimmenanteil von 59 Prozent voraus, wie die Tamedia-Zeitungen und«20 Minuten»gleichentags berichten.
Allerdings habe sich die Meinungsbildung inzwischen gefestigt. Die meisten Stimmbürger wollten sicher Nein stimmen. Der Anteil der Eher-Nein-Stimmen im Vergleich zur ersten Umfrage-Welle von LeeWas ist dagegen deutlich geschrumpft. Die BVG-Reform wird demnach nur von der Basis der FDP und der GLP mehrheitlich unterstützt, die Mitte ist gespalten. Die Wählenden der SVP sind (wie jene von SP und Grünen) mehrheitlich dagegen.
Auffallend ist laut denTamedia-Zeitungen, dass Frauen und Wenigverdienende die Vorlage ablehnen. Dabei hatte die Politik gerade das Ziel verfolgt, mit der BVG-Reform deren Absicherung im Alter zu stärken.
Auch gfs.bern schreibt zur zweiten Umfrage-Welle, der Stand der Meinungsbildung präsentiere sich «gefestigter als noch vor einem Monat». Für die Biodiversitätsinitiative, die gleichzeitig zur Abstimmung gelangt, sei er dabei bereits fortgeschrittener. Jener zur BVG-Reform bleibe dahinter zurück und sei knapp zwei Wochen vor dem Abstimmungssonntag lediglich «mittel bis fortgeschritten».
Angestiegen ist derweil laut gfs.bern der Anteil jener, die sich am Urnengang beteiligen wollen. Er liegt aktuell bei 47 Prozent – und damit exakt im langjährigen Mittel des vergangenen Jahrzehnts. Als Stichtag für die aktuelle, zweite Befragungswelle nennt gfs.bern den 31. August.
Auch Biodiversitätsinitiative droht Abfuhr
Auch die zweite eidgenössische Vorlage vom 22. September steht derweil vor einem Nein:Mit noch 46 Prozent Ja-Stimmen in der aktuellen SRG-Umfrage dürfte die Biodiversitätsinitiative vom Volk abgelehnt werden.
Zum Vergleich: Vor Monatsfrist hatte die Vorlage von Natur- und Umweltschutzverbänden in der von gfs.bern durchgeführten Umfrage noch eine knappe Ja-Mehrheit von 51 Prozent erhalten. Inzwischen hat sich auch die Zahl der Unentschlossenen auf noch 3 Prozent halbiert.
In der aktuellen LeeWas-Umfrage im Auftrag der Tamedia-Zeitungen und von «20 Minuten» kommt die Biodiversitätsinitiative derweils sogar noch lediglich auf 42 Prozent Ja, während 56 Prozent Nein stimmen wollen.
Darum geht es am 22. September
Am 22. September 2024 muss die Schweizer Stimmbevölkerung über zwei eidgenössische Vorlagen entscheiden. Einerseits wollen das Parlament und der Bundesrat mit der Pensionskassenreform die berufliche Vorsorge (BVG, berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) fit für die Zukunft machen.
Hinter der Vorlage stehen die bürgerlichen Parteien, die GLP und EVP sowie Teile der Wirtschaft. Dagegen haben SP und Grüne zusammen mit den Gewerkschaften das Referendum eingereicht. Auch einzelne Arbeitgeberverbände lehnen die BVG-Reform ab.
Andererseits gelangt die Biodiversitätsinitiative zur Abstimmung. Dieses von der Naturschutzorganisation Pro Natura lancierte Vorhaben will den Schutz der Natur, der Landschaft und des baukulturellen Erbes der Schweiz stärken. Nebst SP und Grünen unterstützen verschiedene Natur- und Umweltschutzorganisationen die Initiative. Parlament und Bundesrat sowie bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände lehnen das Volksbegehren ab.
BVG-Reform spaltet selbst die SVP
Im Detail schreibt gfs.bern zur zweiten SRG-Umfragewelle, «die anfängliche relativmehrheitliche Zustimmung zur BVG-Reform ist über die Hauptkampagnenphase weggebrochen». Ende August hätte sich demnach bereits eine knappe Mehrheit von 51 Prozent gegen die BVG-Reform ausgesprochen, nur noch 42 Prozent dafür.
«Die parteipolitische Orientierung der Teilnahmewilligen ist zusammen mit dem Regierungsvertrauen eine der stärksten Erklärungsgrössen für die Stimmabsichten zur BVG-Reform», schreibt gfs.bern weiter. Dabei zeige sich der Nein-Trend bei allen Parteiwählerschaften. Besonders ausgeprägt natürlich im links-grünen Lager, das ja hinter dem Referendum steht. Doch selbst die SVP-Basis ist gespalten. Mehrheitlich dafür sind demnach GLP-, Mitte- und FDP-Wählende.
Zur Biodiversitätsinitiative schreibt gfs.bern, deren Entwicklung in den beiden nun publizierten SRG-Umfragen «offenbart einen für Initiativen typischen Nein-Trend». Sprich: Das Volks-Nein zeichnet sich definitiv ab. Damit entfällt auch das Spekulieren, ob die Initiative die ebenfalls nötige Hürde des Ständemehrs schafft.
Das Kleingedruckte zu den Umfragen
Die zweite Welle der SRG-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 22. September 2024 hat das Forschungsinstitut gfs.bern vom 26. August bis am 4. September durchgeführt. Befragt wurden dazu insgesamt 13’979 Stimmberechtigte – und zwar telefonisch wie auch online. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.
Die Umfrage von LeeWas wiederum ist am 4./5. September bei 15’792 Personen online durchgeführt worden. Der Fehlerbereich beträgt +/-1,4 laut Tamedia-Zeitungen und «20 Minuten» Prozentpunkte.