Adieu pour toujours!
Der Plan war simpel: ans Meer. Am Silvester gegen Abend kamen wir in der Camargue an. Das gebuchte Zimmer mit Meerblick war leider anderweitig vergeben worden, dafür belohnte uns die Dame an der Rezeption, offenbar die einzige Angestellte des Hauses, mit einem «Upgrade», einem etwas geräumigeren Zimmer. Statt aufs Meer blickten wir nun in einen Innenhof. Glück im Unglück: zahlreiche Lüftungen oberhalb unseres Fensters ersetzten das Meeresrauschen mehr als gleichwertig. Also ab ins Dorf auf die Suche nach Essen. Erkenntnis: An Silvester sollte man in Frankreich unbedingt weit im Voraus einen Tisch reservieren, sonst wird’s schwierig. In einer Seitengasse weitab vom Schuss fanden wir einen Italiener. Was die Sache vertrauenswürdig machte: Die speisenden Gäste an den wenigen Tischchen waren ebenfalls Italiener, und die waren gerade dabei, eine kleine, rundliche Frau mit Kochschürze und roten Backen zu feiern: ohne Zweifel die Köchin. Der Abend war gerettet! Zur Vorspeise bestellten wir einen Gemüsesalat. Der kalte Salat bestand aus ein paar grünen Bohnen (aus der Dose), drei matschigen Spargeln (aus der Dose), eingelegten Zwiebeln (aus dem Glas), drei von der Signora persönlich totgekochten Blumenkohlröschen und ein wenig Weisschabis (frisch!). Dann kamen die Penne all’arrabbiata, ein guter Gradmesser für jedes italienische Restaurant, denn man kann viel falsch machen bei diesem vermeintlich simplen Gericht. Um es kurz zu machen: Die rund 30 Penne waren an der Grenze zu verkocht, aber irgendwie leicht scharf, auch wenn keine nennenswerten Spuren einer Salsa erkennbar waren. Das Rucola-Pesto an den Linguine meiner Frau war ein grünliches Öl. Ich bestellte ein weiteres kleines Bier, um mich zu beruhigen (8 Euro). Dann versuchte ich dem Gastgeber zu erklären, dass ich noch grossen Hunger hatte. Der Italiener lachte herzlich und erklärte mir in einem Kauderwelsch aus Englisch, Italienisch und Französisch, ich hätte eben hundert Gramm Pasta gegessen. In gekochtem Zustand ergebe das vierhundert Gramm. Ich müsse mir das mal vorstellen: Vierhundert Gramm! Das sei ja wohl mehr als genug für eine Mahlzeit. Ich war, was ich selten bin: sprachlos.
Die verbleibenden fünf Tage assen wir dann lauter hervorragende Spezialitäten aus der Region. In unserem geräumigen Hotelzimmer. Die Dame des Hotels verschwand nach drei Tagen spurlos und überliess das Putzen und WC-Papier-Einkaufen uns. Im Gegenzug verzichtete ich darauf, den Minibar-Inhalt und das Mini-Frühstück am ersten Morgen (15 Euro pro Person) zu bezahlen. Das lustige Flamingo-Serviertablett plus drei dazupassende Teller liess ich nicht etwa aus Rachsucht oder Gier mitlaufen, sondern einzig, um mich auf ewig daran zu erinnern, wo ich garantiert nie mehr hinwill.