Adoptionsskandal Sri Lanka: Kein einziges Verfahren entsprach den Vorschriften
Als erster Kanton der Schweiz hat St. Gallen den Skandal um die Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka aufgearbeitet. Ein Forschungsteam rund um die Historikerin Francesca Falk von der Universität Bern hat dafür sämtliche Adoptionsdossiers von 1973 bis 2002 untersucht.
Der Befund: Bei keiner der 85 Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka hielten die kommunalen und kantonalen Behörden die geltenden Gesetzesvorschriften ein. Konkret zeigt sich dies, indem Kinder in der Schweiz beispielsweise keinen Vormund erhielten wie es vorgesehen gewesen war. Zudem wurden Adoptiveltern im Vorfeld ungenügend überprüft.
Gravierende Missstände finden sich auch in grundlegenden Akten. So fehlen in 12 Fällen etwa die zwingend erforderliche Zustimmungserklärung der leiblichen Eltern.
Obwohl frühere Studien bereits die missbräuchlichen Adoptionen aus Sri Lanka festhielten, fehlen aus anderen Kantonen solche Analysen. Ebenfalls gibt es in der Schweiz bislang keine Untersuchungen über Adoptionen von Kindern aus anderen Herkunftsländern. Dabei kamen Ende des 20. Jahrhunderts hunderte von Adoptivkinder aus diversen weiteren Ländern wie Indien, Kolumbien oder Brasilien in die Schweiz. Das wirft weitere Fragen auf.
Denn Historikerin Falk hält fest, dass «postkoloniale Verhältnisse» die Adoptionsverfahren mitprägten. Etwa die «Rettungs-Erzählungen»: Kinder würden durch eine Adoption in der «reichen Schweiz» sowieso ein besseres Leben führen als im «armen Sri Lanka». Solche kolonial geprägte Annahmen seien mitverantwortlich, dass die Adoptionen unsorgfältig geprüft worden seien und bekannte Missstände rund um den Adoptionsmarkt in Sri Lanka kaum Beachtung gefunden hatten.