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«Nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen» – die Reaktionen zu den Wahlen in Deutschland

Die Zahlen sprechen für sich. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat nur jeder Zehnte für eine der drei Ampelparteien (SPD, Grüne, FDP) gestimmt, welche die Bundesregierung in Berlin stellen.

Gemäss vorläufigen Schlussresultaten erreichen die Ampelparteien in Thüringen 10,4 Prozent. In Sachsen kommen SPD und Grüne gemeinsam auf 12,4 Prozent. Besonders demütigend: In Sachsen schafft die FDP nicht mal die Ein-Prozent-Hürde.

In Thüringen fährt die als «gesichert rechtsextrem» geltende AfD mit Spitzenkandidat Björn Höcke einen riesigen Erfolg ein und wird mit 32,8 Prozent (+9,4) Wähleranteil vor der CDU stärkste Kraft. In Sachsen liegt die AfD (30,6 Prozent) knapp hinter der CDU (31,9 Prozent) auf Rang zwei.

Wie soll es weitergehen, ein Jahr vor den Bundestagswahlen 2025? Das sind die Reaktionen von SPD, Grünen und FDP.

SPD

Die Sozialdemokraten atmeten auf, als sie am Sonntagabend die ersten Hochrechnungen zu Gesicht bekamen. In der Parteizentrale in Berlin war man sich gemäss«Spiegel»einig, dass es schlimmer hätte kommen können.

Das Horrorszenario, erstmals überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik aus einem Landtag zu fliegen, trat nicht ein. Die SPD ist die einzige der drei Ampelregierungen, die in beiden Bundesländern im Parlament verbleibt.

Angesprochen auf das schlechte Abschneiden seiner Partei sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: «Es muss einiges geändert werden.» Dazu gehöre die einmal mehr schlechte Kommunikation. Es werde, so Kühnert, «zu wenig oder nicht verständlich genug kommuniziert», etwa bei den Plänen von Kanzler Olaf Scholz hinsichtlich des Ukrainekriegs.

Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD
Bild: Clemens Bilan / EPA

Ausserdem wolle sich die SPD stärker emanzipieren. Kühnert sagte mit einem Seitenhieb in Richtung Koalitionspartner:

«Es geht für meine Partei darum, deutlich zu machen, was man nur mit der SPD bekommt und wo wir uns auch nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen rausgewählt worden sind.»

Es gehe um ein Zeichen des Selbstbewusstseins, das die SPD senden müsse, «dann haben wir gute Chancen, wieder mehr Zustimmung zu erhalten», so Kühnert weiter.

Von «viel zu viel Zoff auf offener Bühne», sprach auch SPD-Parteichefin Saskia Esken und meinte damit das Erscheinungsbild der Ampelregierung gegen aussen. Sie appellierte an SPD-Bundeskanzler Scholz, den Grünen und der FDP weniger durchgehen zu lassen.

Dennoch möchte Esken an der Zusammenarbeit mit Grünen und FDP festhalten. «Wir haben noch viel vor», sagte Esken am Tag nach der Wahl im Deutschlandfunk. Die Koalition habe sich wichtige Themen wie das Rentenpaket und die Stärkung der Wirtschaft vorgenommen. «Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir auch weiterhin gut zusammenarbeiten werden», betonte Esken.

Saskia Esken, die Bundesvorsitzende der SPD
Bild: Markus Schreiber / AP

Natürlich sei das Resultat für die «Ampel» (SPD, FDP, Grüne) ein «bitteres Ergebnis», so Esken. Bundespolitische und internationale Themen wie Migration hätten im Landtagswahlkampf eine grosse Rolle gespielt. Das müsse ihre Partei ernst nehmen. Ausserdem müsse die SPD im Osten «stärkere Präsenz zeigen».

Zu Bundeskanzler Olaf Scholz sagte Esken:

«Olaf Scholz ist ein starker Bundeskanzler, der uns auch als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen wird, und wir werden mit ihm gemeinsam diese Wahl auch gewinnen.»

Auch der Angesprochene selbst hat sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zu den Wahlen in Sachsen und Thüringen geäussert. Scholz sagte: «Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden.»

Schwierige Zeiten für Bundeskanzler Olaf Scholz
Bild: Michael Probst / AP

Die Ergebnisse der AfD in beiden Bundesländern bereiteten ihm Sorgen, so Scholz weiter. Und:

«Daran kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen. Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes.»

Erfreut ist Scholz, dass seine Partei zusammengehalten und einen «guten und klaren Wahlkampf» geführt habe. Dies habe sich gelohnt, denn «die düsteren Prognosen in Bezug auf die SPD sind nicht eingetreten».

Grüne

Es war knapp, sehr knapp. Mit 5,1 Prozent Wähleranteil haben die Grünen die erforderliche 5-Prozent-Hürde in Sachsen gerade so geschafft. Zu einer Fortsetzung der Kenia-Koalition mit CDU und SPD wird es aufgrund der verpassten Mehrheit jedoch nicht mehr kommen.

Schuld am schlechten Abschneiden sei Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Gemäss Grünen-Chefin Ricarda Lang habe Kretschmer das Feindbild Grüne gepflegt:

«Wenn immer wieder ein Gegeneinander aufgemacht wird, Vorurteile gestärkt werden, dann sägen Demokraten an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen.»

Ricarda Lang von den Grünen
Bild: Donato Caspari / CH Media

Während es in Sachsen noch knapp gereicht hat, verpassen die Grünen in Thüringen mit 3,2 Prozent Wähleranteil den Einzug ins Parlament deutlich.

Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des deutschen Bundestages und Mitglied der Grünen, sagte zum Wahlresultat in Thüringen:

«Es ist eine Zäsur, nicht wegen unseres Abschneidens, sondern insgesamt. Wir haben eine rechtsradikale Partei, die stärkste Kraft ist. Wir haben mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht Putin-Freunde, die in der Populismus-Bewirtschaftung sehr, sehr gut sind, das Land weiter gespalten haben. Das wird eine grosse Aufgabe sein, das wieder zusammenzubringen.»

Göring-Eckard nimmt die Ampelregierung auf Bundesebene in die Verantwortung und fordert eine bessere Zusammenarbeit: «Wir brauchen eine andere Politik, weniger Streit, weniger parteipolitisches Klein-Klein.»

FDP

Weil niemand erwartet hat, dass es die FDP in einen der beiden Landtage schafft, hält sich die Enttäuschung bei den Liberalen in Grenzen.

Dennoch ist das Resultat miserabel: In Sachsen holt die FDP weniger als, in Thüringen knapp über ein Prozent der Stimmen. Auf X schrieb Parteichef Christian Lindner: «Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen schmerzen. Aber niemand soll sich täuschen, denn wir geben unseren Kampf für liberale Werte nicht auf.»

Drastischer drückte sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki aus. Er schrieb auf X, dass die Ampelregierung ihre Legitimation verloren habe:

«Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben.»

Kubicki fuhrt in einem zweiten Post auf X fort: «Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei.»

Wolfgang Kubicki übt Selbstkritik
Nadia Schärli / Luzerner Zeitung

«Flasche leer! #Ampel», schrieb auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler auf X.

Am 28. September 2025 finden die Bundestagswahlen statt. Ob das Stimmvolk die Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP auch auf nationaler Ebene abstraft, wird sich zeigen.