Knapp 2400 Tote nach Erdbeben der Stärke von 6,3 – Hoffnung auf Überlebende schwindet
Nach der verheerenden Erdbebenserie in Afghanistan schwindet die Hoffnung auf Rettung von Überlebenden. Helfer und Ärzte, die in die Katastrophengebiete im Westen des Landes geeilt waren, berichteten von einem grossen Ausmass der Zerstörung. In zahlreichen Dörfern nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat seien Häuser durch das Beben dem Erdboden gleichgemacht worden, sagten Augenzeugen am Sonntag. Das Ministerium für Katastrophenhilfe bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag auf mehr als 2400, weitere 2000 seien verletzt worden. Die Zahlen konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.
Die Sorge war gross, dass die Opferzahlen in den kommenden Tagen immer noch steigen könnten. Es wäre eines der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten in Afghanistan.
Am Samstagmorgen hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden bebte die Erde neun Mal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Am stärksten betroffen war der Bezirk Sindadschan, nordwestlich von Herat. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete. Die beiden schwersten Beben hatten laut der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,3.
EU sichert Hilfe zu
Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung Afghanistans ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. «EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen», teilte er mit, ohne Details zu nennen.
Selbst 300 Kilometer entfernt im Nachbarland Iran wackelten am Samstag Wände und Deckenleuchten, wie Bewohner der Millionenmetropole Maschhad erzählten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.
Die Beben wecken Erinnerungen an die verheerende Katastrophe im Sommer vergangenen Jahres, als im Osten des Landes bei einem Erdbeben der Stärke 5,9 mehr als 1000 Menschen in den Tod gerissen wurden. Nach Jahrzehnten voller Konflikte sind viele Dörfer mit einfacher Bauweise schlecht gegen Erdbeben gerüstet.
Seit mehr als zwei Jahren sind in Afghanistan die Taliban wieder an der Macht. Das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten schwer vorankommen. Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.
Vereinte Nationen: Mehr als 11’000 Afghanen von Erdbeben betroffen
Mehr als 11’000 Menschen sind nach Angaben des UN-Nothilfebüros (OCHA) von dem Erdbeben in der Provinz Herat in Afghanistan betroffen. Die Vereinten Nationen haben am Sonntag fünf Millionen Dollar (4,7 Mio Euro) Soforthilfe freigegeben und kündigten nach der Abschätzung des Bedarfs einen baldigen Spendenaufruf an.
In mindestens elf Dörfern seien sämtliche Häuser zerstört worden. OCHA nannte am Sonntagabend gut 1000 Tote, aber örtliche Medien hatten unter Berufung auf die afghanischen Behörden bereits von mehr als 2500 Toten gesprochen. «Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Opfer und der betroffenen Familien noch steigt, wenn abgelegene Region erreicht werden», teilte OCHA mit.
Allein im Regionalkrankenhaus von Herat würden mehr als 550 Verwundete behandelt, darunter fast 230 Minderjährige. Erste Hilfslieferungen seien verteilt worden, darunter Hygieneartikel, Nahrungsmittel und Trinkwasser. (dpa)