Trotz Digitalisierung: Fast alle Parteien wollen die AHV-Zweigstelle im Dorf lassen
Der Regierungsrat hat zum Einführungsgesetz zu den Bundesgesetzen über die AHV/IV eine Vernehmlassung durchgeführt. Das geltende Gesetz entspreche nicht mehr den Anforderungen, schreibt er an die Vernehmlassungsteilnehmenden. Ausserdem müsse man, wegen bundesrechtlicher Vorgaben, auf organisatorischer Ebene Anpassungen vornehmen. Dabei geht es vor allem darum, dass der Bund die Kantone nicht länger dazu verpflichtet, Gemeindezweigstellen für den Vollzug der AHV/IV zu unterhalten. Der Regierungsrat schlägt vor, diese Verpflichtung aufzuheben, dafür soll eine Übergangsfrist von fünf Jahren gelten.
Bereits während der Anhörung hat sich die Caritas kritisch dazu geäussert. Sie warnt vor einem Gesundheitsrisiko für Menschen mit tiefem Einkommen. Auch die Mehrheit der Parteien ist mit der Auflösung der Zweigstellen nicht einverstanden, wie die Vernehmlassungsantworten zeigen.
«Die Gemeinden erbringen hier noch immer eine wertvolle Dienstleistung für die Bevölkerung, auf die auch in Zukunft nicht verzichtet werden kann», schreibt die SVP zu ihrer Antwort. Gerade bei älteren Personen sei es wichtig, dass sie bei Fragen zu Ergänzungsleistungen oder Krankenkassenverbilligung Ansprechpartner in der Gemeinde fänden.
SP: Kanton will zulasten Betroffener sparen
Diese Haltung vertritt auch die Aargauer SP. Wichtige Dienstleistungen, insbesondere bei den Ergänzungsleistungen und der AHV, würden nach wie vor angefragt, schreibt sie in einer Medienmitteilung. Der Kanton wolle zulasten der betroffenen Personen sparen und verweise auf eine zentrale Anlaufstelle und digitale Möglichkeiten. «Für die SP ist dieser Weg nicht akzeptabel.» Das Online-Angebot sei für Menschen mit einer psychischen oder sprachlichen Beeinträchtigung oder für Menschen mit mangelnden digitalen Kompetenzen keine Alternative.
Noch zu viele Bürgerinnen und Bürger fragten bei der Gemeinde nach, wenn sie bei der Sozialversicherung Unterstützung benötigen, hält die EVP fest. Wer sich nicht in der digitalen Welt bewegt, werde ohne Gemeindezweigstellen benachteiligt. «Völlig dagegen», diese aufzulösen, ist auch die EDU. Eine persönliche Ansprechperson könne durch eine digitalisierte Struktur nicht ersetzt werden, schreibt sie.
«Eher einverstanden», dass die Gemeindezweigstellen aufgelöst werden, ist die Mitte. Es sei ihr aber wichtig, dass Menschen weiterhin eine Anlaufstelle in ihrer Nähe haben, die mit den technologischen Entwicklungen nicht Schritt halten können. Es müsse sichergestellt werden, dass Anspruchsberechtigte aller Bevölkerungsschichten über ihre Ansprüche Bescheid wissen, halten die Grünen fest. Pro Infirmis, Pro Senectute und die kommunalen Sozialdienste können und sollen die SVA Aargau dabei unterstützen, die Verantwortung liege aber bei der SVA. Die SVA Aargau ist im Kanton zuständig für die AHV, die Familienausgleichskasse, Ergänzungsleistungen, die IV und die Prämienverbilligungen.
FDP: Doppelspurigkeiten nicht zielführend
Voll und ganz damit einverstanden, die Gemeindezweigstellen aufzulösen, ist die FDP. Man gehe davon aus, dass die Bedeutung von diesen zukünftig noch mehr abnehmen werde. Im Sinne eines effizienten Verwaltungsapparats werde es als nicht zielführend erachtet, neben dem digitalen Angebot weiterhin eine Parallelstruktur in Form von Gemeindezweigstellen aufrechtzuerhalten.
Für viele Menschen sei aber die persönliche Unterstützung auch in Zukunft wichtig, schreibt die Aargauer GLP. Für einige sei das System zu komplex, anderen bereite die Digitalisierung Mühe. «Es sind Lösungen zu finden, damit die Gemeinden auch in Zukunft die Verantwortung der immateriellen Unterstützung wahrnehmen können», so die Grünliberalen. Die Gemeinden sollen diese Dienstleistung auch in Zukunft erbringen können, aber: «Dafür braucht es keine Zweigstelle, sondern lediglich eine Klärung, auf welche Daten die Gemeinden bei der SVA zugreifen können.»