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Die Urmutter aller Influencer ist eine Schweizerin: Susanne Bartsch wird mit einem wichtigen Preis ausgezeichnet

Susanne Bartsch verliess mit 17 Jahren die Schweiz, stieg in New York zur Königin des Nachtlebens auf und erhielt internationale Berühmtheit durch ihr Aids-Engagement. Endlich rücken ihre Leistungen auch in den Fokus ihrer Heimat. Das BAK ehrt sie mit dem Designpreis.

Sie gilt als führende Stilikone und als New Yorks Schlüssel zum Nachtleben. Doch Susanne Bartsch steht nicht nur für Punk und Provokation. Für Easy Living und selbst erfundene Wimpern aus Straussenfedern, die lang sind wie ein Zeigefinger. Ihre Mission ist echt und ehrenhaft.

Sie kämpfte gegen die Pest mit Mode und Musik

Als Homosexualität noch als Krankheit galt, transsexuellen Menschen mit der Psychiatrie gedroht wurde und Aids die «Schwulen-Pest» hiess – selbst in New York –, war sie eine der Ersten, die gegen die Ausgrenzung von Menschen ins Feld ging: Die Bartsch initiierte 1989 in ihrer Wahlheimat Manhattan die erste grosse Benefiz-Veranstaltung der Geschichte, den «Love Ball». Ein historischer Moment, und «Voguing», der marginalisierte Tanzstil der Subkulturen, wurde somit salonfähig. Alle, die von gesellschaftlicher Bedeutung waren oder zumindest Geld besassen, folgten damals ihrem Ruf. Das Fundraising, mehre hunderttausend Dollar, ging an die Aids-Forschung. Seit diesem Anlass ist die Schweizerin in den USA weltberühmt.

Das Bundesamt für Kultur hat Bartsch mit dem Schweizer Grand Prix Design 2022 ausgezeichnet, und man kann diese Wahl nicht hoch genug loben. Auch Verena Huber und Beat Streuli wurden ausgezeichnet, mit der Preisträgerin Bartsch ehrt man eine Persönlichkeit, die in ihrer Heimat eine Unbekannte blieb.

Vom Underground auf den Catwalk

Erfreulich ist auch die Novität: Zum ersten Mal überhaupt geht die offizielle Ehrung an eine Frau, die die Ränder der Gesellschaft spiegelt und die Grenzen zwischen den Geschlechtern in Frage stellt. Die Selbstverständlichkeit, mit der man heute die Geschlechteridentität und das binäre Modell von männlich und weiblich neu verhandelt, musste erkämpft werden. Susanne Bartsch setzt sich dafür an vorderster Front ein.

Bartschs Waffen sind orgiastische Partys, die sie mit einem eigenen Ensemble aus Travestiekünstlern bestückt. Ihre Modeschauen widmet sie stets jungen Untergrund-Couturiers. Ein offenes Geheimnis ist: Renommierte Künstler wie Jean-Paul Gaultier, Thierry Mugler oder Alexander McQueen entdeckte sie, als jene noch No-Names waren.

Sie förderte sie, indem sie deren Mode in ihrer Boutique verkaufte. Susanne Bartsch, alterslos, präsentierte erst kürzlich in der Sony Hall in New York ihre erste eigene «Bartschland»-Kollektion. Sie selbst spielte die Rolle der Moderatorin und Animatorin. Mit dunkler Stimme, in der ein Schweizer Akzent mitschwingt, forderte sie das Publikum am Ende auf: «Can we have a standing ovation, please? We really worked very hard.»

Traum vom wilden, freien Leben

Bartsch füllte in New York sozusagen die Lücke, die der Tod von Andy Warhol 1987 gerissen hatte. Sie ist der Missing Link zwischen Kunst und Mode und hat den Begriff Influencerin für sich gepachtet, bevor er erfunden war.

Ihre Outfits und Stylings stärken nicht nur das Selbstbewusstsein schwul-lesbischer Kreise. Sie bestätigen vielmehr die bürgerliche Vorstellung von einem vielleicht freieren Leben.