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Nicht angeschnallte Kinder im «sicheren» Elterntaxi: Gefahren und Ärgernisse auf dem Schulweg

Aargauer Regionalpolizeien ziehen eine gemischte Bilanz zur «Aktion Schulbeginn». Auffällig ist das gefährliche und teilweise paradoxe Verhalten der Eltern.

Insgesamt 760 Stunden (Mannstunden) waren die Polizistinnen und Polizisten der Aargauer Regionalpolizeien vom 12. bis 23. August 2024 spezifisch für die Sicherheit unserer Kinder auf deren Schulweg unterwegs. Für die traditionelle, alljährlich während zwei Wochen durchgeführte «Aktion Schulbeginn», gab es auch dieses Jahr insbesondere von Eltern und Verantwortlichen der Schulen positive Rückmeldungen.

Die seit Jahrzehnten anhaltenden Bemühungen zeigen schweizweit Wirkung. Die Unfallzahlen von Schülerinnen, Schülern sowie Jugendlichen sind allgemein stark zurückgegangen. Doch Grund zum Jubeln gibt es nach wie vor wenig: Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung sterben in der Schweiz durchschnittlich sieben Kinder pro Jahr bei Verkehrsunfällen und Dutzende werden schwer verletzt. 40 Prozent der schweren Kinderunfälle geschehen dabei auf dem Schulweg.

Bei der «Aktion Schulbeginn» geht es nicht darum, fehlbare Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu büssen. Im Vordergrund steht die Sensibilisierung der Kinder, insbesondere aber vor allem auch jene der erwachsenen Verkehrsteilnehmenden für die Gefahren auf dem Schulweg. Durch eine vermehrte Präsenz der Regionalpolizeien soll die Verkehrssicherheit in den ersten beiden Schulwochen erhöht werden.

«Erschreckend, wie schnell im Bereich der Schulen gefahren wird»

Doch dadurch liessen sich (zu) viele Automobilistinnen und Automobilisten auch dieses Jahr nicht davon abhalten, im Bereich von Schulanlagen zu stark aufs Gas zu drücken. Die entsprechende Radarmessungen ergaben ein wenig erfreuliches Bild: Insgesamt waren 3650 Lenkerinnen oder Lenker genau dort zu schnell unterwegs, wo man eigentlich besonders auf die erhöhten Gefahren durch Kinder sensibilisiert sein sollte.

Die Regionalpolizeien setzten auch in diesem Jahr wieder auf Verkehrserziehung und Sensibilisierung.
Toni Widmer

Das ist zwar etwas weniger als bei der gleichen Aktion im Vorjahr (knapp 4000 gemessene Geschwindigkeits-Übertretungen), für René Lippuner, Chef der Regionalpolizei Zurzibiet und des Verbandes der Aargauer Regionalpolizeien (VAG), aber nach wie vor zu viel: «Es ist erschreckend, wie schnell im Bereich der Schulanlagen zum Teil gefahren wird. Das unrühmliche Ergebnis bestätigt uns in unseren Bemühungen, gerade dort vermehrt Kontrollen durchzuführen.»

Zu denken gibt Lippuner insbesondere, dass von den Übertretungen 589 im Bereich von 6 bis 10 Kilometer zu viel (nach Abzug der gesetzlich vorgeschriebenen Toleranz) und knapp 120 im Bereich von 11 bis 15 Kilometer zu viel gemessen worden sind. 11 Lenkerinnen oder Lenker liessen es sogar richtig «krachen» und waren im Bereich von Schulanlagen mit (Netto-)Geschwindigkeiten zwischen 66 und 70 km/h (statt der erlaubten 50 km/h) unterwegs.

Insgesamt mussten die Aargauer Regionalpolizeien im Laufe der zwei Wochen dauernden Aktion 31 Lenkerinnen und Lenker wegen groben Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz zur Anzeige bringen – 25 wegen Geschwindigkeitsübertretungen, 6 wegen anderer Delikte.

Paradoxum beim Thema Elterntaxis

Als nach wie vor zu hoch und unverständlich beurteilt René Lippuner weiter die Verstösse im Zusammenhang mit dem Gewähren, beziehungsweise eben Nichtgewähren des Vortrittsrechts an Fussgängerstreifen. Knapp drei Dutzend Bussen mussten wegen entsprechenden Zuwiderhandlungen ausgesprochen werden. Die Tendenz ist laut Lippuner leider steigend.

Elterntaxis sind beinahe überall ein gefährliches Problem.
Bild: zvg

Und nach wie vor machen den Polizistinnen und Polizisten auch die Elterntaxis Sorgen: «Das Problem haben wir zwar da und dort mittlerweile besser im Griff, vor allem auch wegen der besseren Aufklärung der Eltern sowie baulichen und signaltechnischen Massnahmen im Bereich von Schulanlagen. Doch nach wie vor sind die Elterntaxis ein Thema, das uns beschäftigt. Zur Lösung sind wir aber auch darauf angewiesen, dass die Gemeinden ihre diesbezügliche Verantwortung wahrnehmen.»

Dabei, so hat sich im Verlauf der «Aktion Schulbeginn» gezeigt, kommt es zu paradoxen Situationen: Eltern wollen ihre Kinder aus Sicherheitsüberlegungen mit dem Auto zur Schule bringen, schnallen aber im Auto weder sich selber noch ihre Kinder an. 40 Bussen wegen Nichttragen der Gurte sowie 27 Bussen wegen nicht gesicherter Kinder in Autos mussten im Laufe der Aktion im Bereich von Schulanlagen ausgesprochen werden. «Tragisch und unverständlich», kommentiert René Lippuner dazu knapp.

E-Scooter ohne Erlaubnis

Nach wie vor grosse Probleme verursachen auch die E-Scooter. Das Aufkommen dieser Fahrzeuge führe immer wieder zu Verstössen, melden die Regionalpolizeien in ihrer Bilanz zur «Aktion Schulbeginn». Wie schon im Vorjahr wurden erneut E-Scooter-Benützerinnen und -benützer festgestellt, die ohne entsprechende Fahrerlaubnis unterwegs waren, sich nicht an die Verkehrsvorschriften hielten oder nicht konforme Gefährte bewegt haben.

Während die Regionalpolizeien bei Geschwindigkeitsübertretungen kein Pardon kannten, liessen sie bei anderen Übertretungen vielfach Milde walten und beliessen es bei Belehrungen und Ermahnungen. Das entspricht auch dem Grundgedanken der Aktion: «Wir wollen nicht primär Bussen generieren, sondern im Sinne der Verkehrsprävention alle Verkehrsteilnehmenden für die Gefahren auf dem Schulweg sensibilisieren und sie zum richtigen Verhalten anleiten», sagt René Lippuner.