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Alarm per Smartphone: Der Bund will neues Handy-Warnsystem einführen – allerdings im Berner Tempo

Bei Unwettern und anderen Katastrophen will der Bund künftig Warnungen aufs Smartphone schicken können - ohne, dass dafür eine App installiert werden muss. 2028 oder 2029 könnte das System eingeführt werden, sagt die zuständige Amtsdirektorin.

Plötzlich erklingt ein Alarmton, das Smartphone verwandelt sich quasi in eine kleine Sirene und auf dem Bildschirm ploppt eine Nachricht auf: ein Alarm der Behörden. Zum Beispiel, weil ein Gebiet evakuiert werden muss. Dank einer Technologie namens Cell Broadcast wird die Nachricht an alle eingeschalteten Smartphones im gefährdeten Gebiet geschickt.

Was in anderen Ländern gang und gäbe ist, soll künftig auch hierzulande möglich sein: Der Bund will Cell Broadcast in sein Repertoire an Warn- und Alarmsystemen aufnehmen, als Ergänzung zu bestehenden Kanälen wie etwa den Sirenen und der Alertswiss-App.

«Das Potenzial von Cell Broadcast ist sehr hoch»,heisst es in einem neuen Bericht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs). Es erziele eine riesige Reichweite und sei sehr schnell, sagt Christian Fuchs, Co-Leiter Ereigniskommunikation. Der grosse Vorteil: Alle Menschen mit Smartphone innerhalb eines Gebiets können rasch informiert werden – eine App ist nicht nötig.

Die Schweiz hinkt hinterher

In den USA wird die Technologie seit 2016 eingesetzt. Deutschland entschied sich nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 zur Einführung, Frankreich und Italien kennen das System ebenfalls. Hat die Schweiz da etwas verschlafen?

Nein, findet man beim Babs. Der Bund hatte die Einführung 2014 geprüft. «Damals war Cell Broadast noch nicht so weit gediehen, dass es Sinn gemacht hätte», sagte Babs-Direktorin Michaela Schärer. Weniger als die Hälfte der Geräte konnten zu dieser Zeit Cell Broadcast empfangen.

Der Bund entschied sich damals für die Schaffung der App Alertswiss. Über diese können die Behörden die Bevölkerung ebenfalls rasch erreichen – allerdings nur jene, die die App installiert haben. Laut Bund sind das rund 2 Millionen Menschen. Die anderen bleiben aussen vor.

Einführung in vier bis fünf Jahren

Vor drei Jahren forderte FDP-Nationalrätin Maja Riniker deshalb die Einführung von Cell Broadcast. Ihre Motion kam in beiden Räten widerstandslos durch. Bis zur Umsetzung dauert es aber noch, wie Schäfer am Donnerstag darlegte.

Babs-Direktorin Michaela Schärer.
Bild: Anthony Anex/Keystone

Ein erster Schritt ist gemacht: Das Babs hat Cell Broadcast in seine neue Strategie zur Modernisierung der Alarmierungs- und Informationssysteme aufgenommen. Als nächstes entscheidet der Bundesrat, danach das Parlament. Die Umsetzung könnte 2026 oder 2027 starten, rechnete Schäfer vor. In Deutschland habe dies etwa zwei Jahre gedauert. Realistisch sei eine Einführung von Cell Broadcast daher 2028 oder 2029.

Auf Nachfrage ergänzte Schäfer, die Idee sei, so rasch als möglich vorwärtszumachen. Sie wolle aber nicht die Erwartungen hochsetzen. Gleichzeitig betonte sie, die Schweiz stehe bereits gut da. Andere Länder kennen zum Beispiel kein Sirenenwarnsystem.

Nationalrätin Maja Riniker (FDP/AG).
Bild: zvg

FDP-Nationalrätin Riniker, die mit ihrer Motion die Sache angestossen hat, freut sich, dass Cell Broadcast eingeführt werden soll. Auf das Tempo angesprochen, sagt sie: «In der Schweiz dauern die politischen Prozesse immer eine gewisse Zeit. Aber wenn der Wille da wäre, könnte man die Einführung von Cell Broadcast vorziehen und beschleunigen.» Schliesslich sei diese unbestritten, und die Technologie kein Neuland.

Kein Allheilmittel

Das Babs veranschlagt für die Modernisierung der Alarmierungs- und Informationssysteme bis 2035 Kosten von 310,5 Millionen Franken. Der Löwenanteil davon – rund 200 Millionen – ist für die Sirenen vorgesehen. Für Cell Broadcast sind 58 Millionen kalkuliert.

Ein Allheilmittel ist letzteres nicht. Wenn das Mobilfunknetz ausfällt, funktioniert es nicht, zudem ist nur eine kurze Nachricht möglich. Sirenen und die Alertswiss-App braucht es daher aus Sicht des BABS weiterhin, ebenso wie die Information via Radio sowie Notfalltreffpunkte.

Trotz all dieser Vorkehrungen: Eine hundertprozentige Sicherheit, alle rechtzeitig erreichen zu können, gibt es nicht. Oder wie Schäfer sagte: «Selbst die besten Systeme können Tote und Verletzte nicht immer verhindern.»