Genossenschaften haben entschieden: Die Migros bleibt in der ganzen Schweiz alkoholfrei – Blaues Kreuz feiert Entscheid als «Siegeszug der Prävention»
Von einem «Eingriff in die Migros-DNA» war die Rede. Von einem Tabubruch, ja gar von einem Glaubenskrieg: Die Alkohol-Abstimmung spaltete die Migros-Genossenschaften wie kaum ein anderes Thema. Die Gretchenfrage lautet: Soll die Migros an ihren jahrzehntelang verbürgten Werten festhalten – oder ist das Alkoholverkaufsverbot scheinheilig und schon gar nicht mehr zeitgemäss?
Bis am 4. Juni konnten die 2,3 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter der Migros ihre Stimme abgeben. Alle zehn regionalen Migros-Genossenschaften haben in dem Verfahren für sich entschieden, ob sie das Alkoholverkaufsverbot in ihrem Gebiet beibehalten wollen oder nicht. Nun liegt das offizielle Resultat vor: Keine der zehn Regionen hat sich für einen Alkoholverkauf ausgesprochen, wie der Migros Genossenschaftsbund am Donnerstag mitteilt.
Es brauchte ein Zweidrittelmehr, um das Verbot zu kippen
Weil das Verbot in den Statuten der Genossenschaften festgehalten ist, war die Hürde für eine Abschaffung hoch: Statutenänderungen bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Wenn also eine Mehrheit, aber weniger als zwei Drittel für den Alkoholverkauf stimmen, bleibt alles beim Alten. Einzige Ausnahme ist die Migros Genf: Hier ist das Alkoholverbot nicht in den Statuten, sondern nur im Reglement festgehalten. Deshalb reicht das einfache Mehr.
Aber es war überall deutlich. Am deutlichsten verworfen die Stimmberechtigten den Alkoholverkauf in Zürich. Dort sprachen sich 80,3 Prozent dagegen aus. Am knappsten war es im Tessin: Dort betrug die Ablehnung nur gerade 55,3 Prozent. Im Kreis Luzern betrug die Ablehnung 74,7 Prozent, in der Ostschweiz 76,3, Region Aare sagte mit 79,9 Prozent Nein und Basel verwarf es mit 76,1 Prozent. Schweizweit haben sich 632’413 Genossenschafterinnen und Genossenschafter an der Abstimmung beteiligt.
Suchtpräventionsorganisationen warnen vor mehr Alkoholproblemen
Vor der Abstimmung waren die Wellen hochgegangen. Anti-Sucht-Organisationen wie die Stiftung Sucht Schweiz und das Blaue Kreuz hatten eindringlich davor gewarnt, Alkoholverkäufe in der Migros zuzulassen. «Bei einem Alkoholvertrieb durch zusätzliche 900 Verkaufspunkte der Migros wäre mit einer erheblichen Zunahme der Alkoholprobleme in der Schweiz zu rechnen», mahnte etwa Sucht Schweiz.
Damit würde für die 250’000 alkoholkranken Menschen die letzte Einkaufsgelegenheit wegfallen, wo sie nicht mit dem Suchtmittel konfrontiert würden. Auch für unzählige Menschen, welche die Sucht überwunden hätten, würde es schwieriger. Zudem befürchtet Sucht Schweiz zusätzliche Alkoholwerbung und grössere Mengen an Billigalkohol.
Die Teppichetage argumentiert mit Kundenfreundlichkeit
Das Alkoholverbot kippen wollte dagegen die Mehrheit der Migros-Teppichetage. So haben sich etwa Ursula Nold, Präsidentin des Genossenschaftsbundes, und der Migros-Verwaltungsrat dafür ausgesprochen.Nold betonte, das Einkaufsverhalten der Kundschaft habe sich verändert. Viele Kundinnen und Kunden würden es schätzen, ihre Einkäufe an einem einzigen Ort erledigen zu können.