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Als Fussball wirklich noch Nebensache war

1950er-Jahre: Vom 16. Juni bis 4. Juli 1954 war die Schweiz Gastgeberin der sechsten Fussball-WM. Verglichen mit dem heutigen Medienspektakel um Messi & Co. war die damalige Berichterstattung eher stiefmütterlich.

Die Fussball-WM im eigenen Land würde heutzutage sicher mehr mediale Aufmerksamkeit geniessen, als es 1954 der Fall war. Während die bis hier behandelten Themen der vergangenen Jahrzehnte in der einen oder anderen Form Platz auf dem Titelblatt fanden, war die WM eher ein Nebenschauplatz, der auf den hinteren Seiten abgehandelt wurde. War die damalige Leserschaft nicht daran interessiert?

Diese Frage zu beantworten ist schwierig. Es fällt aber auf, dass Sportthemen in den früheren Ausgaben des ZT wenig Raum fanden. Immerhin sind die Artikel zur WM sehr leicht zu finden: Sie alle haben den Titel «Fussball-Weltmeisterschaft 1954».

Dieser Text stammt aus der Sonderbeilage «150 Jahre Zofinger Tagblatt» vom 1. Februar 2023, in der jeweils ein Ereignis aus jedem Jahrzehnt seit der ersten Ausgabe des ZT vertieft betrachtet wird.

WM wurde nach neuem, umstrittenem Modus gespielt

Eröffnet wurde die Fussball-­WM in Lausanne von Fifa-Präsident Jules Rimet und Bundespräsident Rodolphe Rubattel. Das ZT schrieb am 17. Juni 1954 von der «mit Rieseninteresse erwarteten Endrunde». Gespielt wurde in Lausanne, Genf, Zürich, Bern, Basel und Lugano. Die WM wurde nach einem neuen, sehr umstrittenen Modus ausgetragen. Die 16 Teilnehmer waren in 4 Gruppen aufgeteilt: Brasilien, Frankreich, Jugoslawien und Mexiko bildeten die Gruppe 1, Ungarn, die Türkei, die Bundesrepublik Deutschland und Südkorea die Gruppe 2, Uruguay, Österreich, Schottland und die Tschechoslowakei die Gruppe 3 sowie England, Italien, Gastgeber Schweiz und Belgien die Gruppe 4. Um die Anzahl der auszutragenden Spiele zu reduzieren und ein vorzeitiges Ausscheiden der Favoriten zu verhindern, gehörten jeder Gruppe zwei gesetzte und zwei ungesetzte Mannschaften an, welche in den Gruppenspielen nicht gegeneinander zu spielen brauchten. Ein Sieg wurde mit zwei Punkten gewertet. Vorrundenspiele, die nach der regulären Spielzeit unentschieden standen, wurden um zweimal 15 Minuten verlängert. Gab es danach immer noch keinen Sieger, wurden die Punkte geteilt.

Nach den Gruppenspielen qualifizierten sich die Erst- und Zweitplatzierten jeder Gruppe für das Viertelfinale. Bei der Ermittlung der Platzierungen wurden die erzielten Punkte, nicht aber das Torverhältnis gewertet. So wurde bei Punktgleichheit auf dem zweiten Platz ein Entscheidungsspiel um den Einzug ins Viertelfinale angesetzt.

Der Gastgeber scheitert im Viertelfinale

Die Schweiz qualifizierte sich in einem solchen Entscheidungsspiel mit einem 4:1-Sieg über Italien für das Viertelfinale, wo als Gegner Österreich wartete – und nach einem torreichen Spiel (5:7) auch Endstation war.

In einem «grossen Endspiel» (ZT vom 5. Juli) setzte sich Deutschland gegen den Top-­Favoriten Ungarn mit 3:2 durch. Dieser Titelgewinn, fünf Jahre nach Gründung der BRD und neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, ging als das «Wunder von Bern» in die deutsche Fussballgeschichte ein.