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Altholzinsel Westerbach: Ein Nutzungsverzicht, der Sinn macht

8,65 Hektaren gross ist die neue Altholzinsel Westerbach, die nun 50 Jahre lang nicht bewirtschaftet wird. Darauf haben sich die vier Eigentümer, die Ortsbürgergemeinden Strengelbach, Vordemwald und Zofingen sowie der Kanton Aargau, geeinigt.

Treffpunkt beim Biotop im Weier­gut. Hier, direkt an der Gemeindegrenze von Vordemwald und Murgenthal, fliesst der Westerbach durch den Wald. In völlig natürlichem Lauf – das Bächli hat sich seinen Lauf durch den Wald selber geformt. Liegen gebliebenes Fallholz gibt dem Gebiet einen urtümlichen, fast wilden Anstrich. Die Sonnenstrahlen, die den Weg durch die Baumkronen hindurch auf den Waldboden finden, lassen das Waldstück in einem wunderbaren Licht erscheinen. Libellen und Schmetterlinge schwirren in grosser Zahl umher. «Es ist wirklich schön hier», sagt auch Matthias Kläy, «eine derartige Waldgesellschaft, wie sie hier anzutreffen ist, gibt es in der Schweiz nicht sehr häufig.» Der 50-jährige Leiter des Forstbetriebs Region Zofingen findet sie «nicht nur erhaltens-, sondern schützenswert».

Initiative ging vom Kanton aus

Unter Schutz gestellt wird sie auch, denn eine Waldfläche von total 8,65 Hektaren, die auf dem Gemeindegebiet von Murgenthal und Vordemwald liegt, wurde als «Altholzinsel Westerbach» ausgeschieden. Das bedeutet, dass das rund zwölf Fussballfelder grosse Gebiet in den kommenden 50 Jahren nicht mehr bewirtschaftet wird. «Die Initiative zur Ausscheidung der neuen Altholzinsel ging von Kreisförster Erwin Städler, dem Leiter des Kreisforstamts 4, aus», sagt Matthias Kläy. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie das Waldeigentum in der Region verteilt ist. In der Tat: Auch bei diesem Projekt mussten vier verschiedene Waldeigentümer ihre Zusage zum Nutzungsverzicht einbringen – und drei verschiedene Forstbetriebe waren in die Verhandlungen involviert.

Teilstücke der neuen Altholzinsel wurden bereits anhin nur noch extensiv oder überhaupt nicht mehr genutzt.

Mit 3,5 Hektaren brachten die Zofinger Ortsbürger die grösste Waldfläche in die neue Altholzinsel ein, 2,5 Hektaren kamen von der Ortsbürgergemeinde Vordemwald, 1,5 Hektaren von der Ortsbürgergemeinde Strengelbach und 1,15 Hektaren brachte der Kanton Aargau aus dem Staatswald ein.

Die Verhandlungen unter den Vertragspartnern seien vielleicht dadurch erleichtert worden, dass der Kanton selbst eine Waldfläche in die neue Altholzinsel eingebracht habe, meint Kläy. Auch seitens des Forstbetriebs Region Zofingen, beziehungsweise der beiden Ortsbürgergemeinden von Zofingen und Strengelbach, sei der Entscheid ohne grosse Opposition gefällt worden. Denn der Forstbetrieb hat dieses Waldstück schon bis anhin nur sehr extensiv genutzt, auf Teilen davon schon vorher ganz auf eine Nutzung verzichtet.

«Libellen sind ein guter ­Indikator für ein gesundes Ökosystem.»: Matthias KläyLeiter Forstbetrieb Region Zofingen

Nutzung als Wirtschaftswald wenig sinnvoll

Beim Gang durch den Wald zeigt Kläy, was hier vorwiegend wächst. Der Boden ist feucht und vernässt, vorherrschend sind deshalb Eschen, Schwarzerlen und Traubenkirschen. «Würde man den Wald bewirtschaften, wäre der Ertrag von diesen Baumarten her sowieso eher gering», sagt der Leiter des Forstbetriebs. Auch angesichts einer stark erhöhten Nachfrage nach Schnitt- und Schnitzelholz – und damit einhergehend beträchtlich gestiegener Holzpreise – mache es zudem kaum Sinn, einen Wald zu bewirtschaften, den man schlecht mit Maschinen befahren könne. «Es ist ganz sicher keine Toplage für die Holzproduktion», hält er unmissverständlich fest.

Kurz darauf erreicht Kläy eine Lichtung. Sie ist fast zur Gänze mit Lieschgras überwachsen. «Ein weiterer Punkt, der gegen eine Bewirtschaftung spricht», sagt Kläy. Das Gras müsste hier gemäht, Jungbäume gesetzt und geschützt werden, was sehr aufwendig wäre. Aber notwendig, wie sich auf dem Rückweg zeigt. Praktisch alle Weisstannen, die selber aufgekommen sind, sind von Rehen und Hirschen verbissen worden.

Weiterer Trittstein für die Förderung der Biodiversität

Später legt Kläy einen Halt am Westerbächli ein, das aktuell sehr wenig Wasser führt. «Eine richtige Invasion von Libellen», stellt er erfreut fest. Denn Libellen seien ein guter Indikator für ein gesundes Ökosystem. «Hier haben wir bereits eine hohe Biodiversität – und wir tun etwas Gutes, wenn wir das Gebiet so erhalten», sagt Kläy.

Eine Libelle hat einen dicken Fang gemacht.

In Zukunft wird die Artenvielfalt in der neuen Altholzinsel weiter zunehmen. Denn die Menge an Totholz, einem wichtigen Substrat in einer Altholzinsel, wird mit der Zeit anwachsen. Liegen in den Aargauer Wäldern im Durchschnitt 15 Kubikmeter Totholz pro Hektare, kann dieser Anteil in einem Naturwaldreservat oder in einer Altholzinsel schnell einmal auf das Vier- oder Fünffache anwachsen. Denn Totholz ist die Lebensgrundlage tausender Arten von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Moosen und Flechten. Tote Bäume spielen aber auch eine wichtige Rolle für die Waldverjüngung.

Mit der Schaffung der Altholzinsel Westerbach ist für den Leiter des Forstbetriebs Region Zofingen ein sinnvolles Naturschutzprojekt unter Dach und Fach gebracht worden. «Von unserer gesamten Betriebs­fläche von 1705 Hektaren sind rund 11 Prozent als Naturvorrangflächen ausgeschieden, 3  Prozent sind sogar mit einem Nutzungsverzicht belegt», sagt er. Weitere Projekte seien im Wald nicht angedacht, auch weil die Pflege und Bewirtschaftung der ganzen Waldfläche möglichst schonend, naturnah und nachhaltig erfolgt.