Als Märtyrer wird Donald Trump so gefährlich wie noch nie
Schon immer sah sich Donald Trump als Märtyrer. Die liberalen Medien, das Justizdepartement, die Richter, die Demokraten und vor allem die «kriminelle Biden-Familie» hätten nichts anderes im Sinn, als ihn zu vernichten, klagt er seit Jahren. Jetzt verleiht das Attentat diesem stupiden Narrativ Glaubwürdigkeit. Das Bild von Trump mit Blut verschmiertem Gesicht und erhobener Faust wird zu einer Ikone der Rechten werden.
Trump ist jetzt nicht nur ein Märtyrer, er wird gar zum Helden. «Das letzte Mal, als Amerika einen Kandidaten hatte, der so hart im Nehmen war, war Theodore Roosevelt», postet Elon Musk bereits. Mike Johnson, der republikanische Speaker des Abgeordnetenhauses, verkündete derweil, Trump sei nun «nicht mehr zu stoppen».
Es wird schwierig werden, diesem Narrativ etwas entgegenzusetzen. Natürlich verurteilen alle, ob «New York Times» oder «Washington Post», ob Präsident Joe Biden oder Nancy Pelosi, das Attentat. Zu Recht verurteilen sie die Gewalt, sie fürchten aber auch zu Recht, dass dieses stupide Attentat den Wahlkampf entscheidend und zugunsten der Republikaner beeinflussen wird.
Tatsächlich nehmen die Verschwörungstheorien bereits ihren Lauf. Vivek Ramaswamy, der vom Trump-Rivalen zum Trump-Enthusiasten mutierte Financier, erklärte:
«Zuerst haben sie ihn angeklagt, dann vor Gericht gezerrt, dann haben sie versucht, ihn von der Urne zu verbannen. Das einzige, das noch tragischer ist, als das, was soeben geschehen ist, ist die Tatsache, dass – seien wir ehrlich –, wir das alle erwartet haben.»
Trump war noch nicht im Spital, als weitere Stimmen dieser Art sich aus den Reihen der Republikaner meldeten. «Joe Biden hat den Antrag zu diesem Attentat gegeben», postete etwa Mike Collins, ein Abgeordneter aus Georgia. Seine national bekannte Kollegin Majorie Taylor Greene verkündete derweil auf X, die Demokraten würden «seit Jahren alles unternehmen, um Trump auszuschalten».
Weitere Stimmen gefällig? Das Attentat sei «von der radikalen Linken unterstützt und begünstigt worden», liess Tim Scott verlauten. Er wird als möglicher Vize von Trump gehandelt. Noch grössere Chancen auf dieses Amt hat JD Vance. Der Senator aus dem Bundesstaat Ohio lässt sich wie folgt zitieren. «Dreh- und Angelpunkt der Biden-Kampagne ist die These, wonach Trump ein autoritärer Faschist sei, der mit allen Mitteln gestoppt werden müsse. Diese Rhetorik hat direkt zur versuchten Ermordung geführt.»
Ganz rechts wird bereits ein neuer Bürgerkrieg heraufbeschworen. «Die wollen einen BÜRGERKRIEG. WIR MÜSSEN GEWINNEN», schrieb etwa Jackson Lohmeyer, ein rechtsextremer Prediger an seine Anhänger. Verschiedene andere Pastoren mailten derweil:
«Der Deep State hat keinen Erfolg gehabt. Gott hält seine schützende Hand über Trump.»
Ob Gott auch verhindern kann, dass der amerikanische Wahlkampf nicht noch weit gewalttätiger wird, wird sich weisen müssen. Nicht nur der Hass, auch die Gewaltbereitschaft ist in beiden Lagern hoch. Die «New York Times» berichtet, dass jeder zehnte Demokrat der These zustimmt, dass Trump nötigenfalls mit Gewalt gestoppt werden müsse. Umgekehrt erklären sieben Prozent der Republikaner, Trump müsse mithilfe von Gewalt wieder ins Weisse Haus gebracht werden.
Im Zuge der Proteste gegen den Vietnamkrieg erlebten die Amerikaner das letzte Mal eine Phase mit grosser politischer Gewalt. Rückblickend ist es Wunder, dass die USA damals nicht auseinander gefallen sind. Ein solches Wunder wird es wohl auch in diesem Sommer brauchen, einem Sommer, der politisch sehr heiss werden dürfte.