Diplomatisches Tauwetter auf Bali: Versöhnliche Töne beim Treffen von Joe Biden mit Xi Jinping
Es sind kleine Details, auf die es bei einem Gipfeltreffen von solcher Bedeutung ankommt: Als Joe Biden geraden Schrittes auf Xi Jinping zuschreitet, reichen sich die beiden Staatschefs lächelnd ihre rechte Hand. Eine Selbstverständlichkeit ist dies nicht: Kanzler Olaf Scholz ist während seines Peking-Besuchs zu Beginn des Monats kein Handschlag mit Xi vergönnt gewesen.
Mit maximaler Spannung war das erste persönliche Gespräch zwischen Xi und Biden antizipiert worden. Von den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und China hängt schliesslich massgeblich ab, ob die internationale Staatengemeinschaft erneut in zwei Machtblöcke zerfällt, oder ob eine multipolare Weltordnung auch friedlich gelingen kann.
Gemessen an der niedrigen Erwartungshaltung ist das gestrige Treffen in Bali überraschend positiv gestartet. Der Ton während der ersten öffentlichen Stellungnahme war ohne jeden Zweifel versöhnlich. Joe Biden sagte, man müsse sicherstellen, dass aus der Konkurrenz zwischen den zwei Ländern kein Konflikt werden dürfe: «Die Welt erwartet, dass China und die USA eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung globaler Herausforderungen spielen und dass wir in der Lage sind, zusammenzuarbeiten.»
Langjährige Wegbegleiter und «alte Freunde»
Auf der anderen Seite des Konferenzzimmers, getrennt durch ein riesiges Blumengesteck, sprach Xi Jinping davon, für ein «freimütiges Gespräch» bereit zu sein, und dass beide Seiten «die richtige Richtung» für die gemeinsamen Beziehungen finden müssen. Bei diesem Prozess hilft, dass die beiden Staatschefs langjährige Wegbegleiter sind. Biden hat – damals als Vize-Präsident unter Obama – knapp 70 Stunden Gesprächszeit mit Xi angehäuft, so viel wie wohl kein anderer westlicher Politiker. Einst hat Xi Jinping den US-Demokraten sogar «einen alten Freund» genannt.
Doch jenes Bonmot wirkt wie aus einer weit entfernten Vergangenheit. Seither nämlich haben sich die bilateralen Beziehungen nicht nur verschlechtert, sondern sind regelrecht eskaliert. Nicht wenige Leitartikler halten langfristig eine militärische Auseinandersetzung zwischen den zwei Systemrivalen für denkbar. In Peking ist man der festen Überzeugung, dass die USA den chinesischen Aufstieg mit allen Mitteln verhindern wollen.
Umso wichtiger ist das Etablieren von gemeinsamen Kommunikationskanälen. Allein dieses erste persönliche Treffen wurde bereits seit Juli von Regierungsvertretern vorbereitet, nachdem Xi und Biden während eines Telefonats ihren Willen dazu geäussert hatten. Dass man in Bali jedoch während des knapp dreieinhalbstündigen Gesprächs bilaterale Differenzen ausmerzen werde, sollte nicht die Erwartungshaltung sein, hiess es aus Washingtoner Regierungskreisen. Denn die Gräben sind dafür zu tief.
Enttäuschendes Schweigen
Zumindest einige positive Signale liessen sich dennoch erkennen. Bei den Stellungnahmen nach dem Treffen hat sich Xi Jinping «höchst besorgt über die gegenwärtige Situation in der Ukraine» geäussert, und dass man die Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland unterstütze.
Enttäuschend aus europäischer Sicht war, dass Xi die zuvor in Anwesenheit von Olaf Scholz getätigte Äusserung, dass man das Drohen mit Nuklearwaffen nicht dulden werde, nicht wiederholte. Jene Worte von Anfang November galten als bislang deutlichste Kritik Chinas an Russland.
Ebenfalls erwähnte ausschliesslich Biden die lange Liste an Streitthemen, bei denen die beiden Seiten wohl auf keinen gemeinsamen Nenner kommen werden: von der Menschenrechtslage in China bis hin zum Taiwan-Konflikt.
Immerhin gibt auch etliche Felder, die die zwei Weltmächte zur Zusammenarbeit zwingen: allen voran der gemeinsame Kampf gegen die globale Erderwärmung. Ein grosser Gewinn wäre es, wenn die zwei Länder ihre offiziellen Klimagespräche endlich wieder fortsetzen würden.