Vom Gegner zum Verbündeten: Wie Tech-Giganten Donald Trump feiern
Kurz nachdem Donald Trump am frühen Mittwochmorgen zu seiner Siegesdeklaration ansetzte, hatte er eine Erscheinung. «Ein neuer Stern ist geboren», sagte Trump: «Elon.» Um dann minutenlang über eine Raketenlandung zu schwafeln, die er mit der Geburt eines Babys verglich. Alles nur möglich durch Elon. «Ich liebe Dich, Elon», endete Trump.
Vieles ist nun möglich durch Elon Musk, den reichsten Mann der Welt und in diesem Präsidentschaftswahlkampf grössten Spender für Trump. Musk revanchierte sich für Trumps Lobpreisung gleich am nächsten Tag auf seinem sozialen Netzwerk X: «Novus Ordo Seclorum», schrieb er zu einem Foto von Trump, «ein neues Zeitalter ist geboren».
Wer glaubt, das alles sei nur Gefasel zweier neuerlich pubertierender Männer, wurde schnell eines Besseren belehrt. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski reichte Trump den Hörer schlicht an Musk weiter. Der ist inzwischen nicht mehr nur ein mächtiger Tech-Boss, sondern auch eine Schlüsselfigur in der politischen Arena.
Als Eigentümer von X (ehemals Twitter) nutzt Musk seine Plattform, um Trumps Politik indirekt zu unterstützen. Etwa 120 Millionen Dollar hat Musk allein ausgegeben, um Menschen davon zu überzeugen, sich für die Wahl zu registrieren und Trump zu wählen. Ob das legal ist, dazu sind derzeit einige Verfahren anhängig.
Ob das auch legitim ist? Das entscheidet sich immer in Relation zum Verhalten anderer. Und die anderen Tech-Bosse des Silicon Valley haben sich ebenfalls überschlagen, Trump zu gratulieren. «Herzlichen Glückwunsch! Wir freuen uns mit Ihnen zu arbeiten», so der Tenor.
Das ist bemerkenswert, denn ebendiese grossen Tech-Unternehmen waren zu Beginn von Trumps erster Regierungszeit noch erbitterte Gegner gewesen. Dafür gab es Gründe. Kaum im Amt, verordnete Trump 2017 ein Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern. Alphabet, Meta, Apple, Amazon und Microsoft schoben ihre Rivalitäten beiseite und koordinierten einen gemeinsamen Widerstand gegen diese Entscheidung, die es ihnen schwermachen sollte, Arbeitskräfte anzuwerben. Alphabet-CEO Sundar Pichai und Google-Mitbegründer Sergey Brin nahmen gar an Protesten teil, bei denen sie gegen Trumps Politik Stellung bezogen. Apple-Chef Tim Cook ging so weit, zu sagen: «Apple würde ohne Immigration nicht existieren.»
Einzelne Wirtschaftsführer zogen auch persönliche Konsequenzen. Als bei einer Rally weisser Rassisten in Charlottesville, Virginia, ein Mensch getötet und 35 verletzt worden waren, sprach Trump von «sehr feinen Leuten auf beiden Seiten». Intel-CEO Brian Krzanich entschied sich daraufhin, seinen Sitz in Trumps Industrierat aufzugeben. Die Tech-Welt war damals vereint im Protest gegen Trumps Antiimmigrationspolitik, seine Entscheidungen in der Klimapolitik und seine Angriffe auf das «Dreamer»-Programm.
«Wir wollen nicht, dass China diese Unternehmen hat»
Das Blatt hat sich nun gewendet. Grosse Teile der Tech-Industrie erwarten bessere Zeiten unter Trump. Da ist zum einen die Kryptoszene, die sich einen neuen Boost erhofft. Oft genug hat Trump sich im Wahlkampf positiv zu Krypto geäussert. Richard Teng, CEO der grössten Kryptobörse Binance, sieht «ein neues goldenes Zeitalter» für seine Branche am Horizont aufscheinen. Der Bitcoin sprang mit der Wahl dann auch um fast 10 Prozentpunkte auf ein Rekordhoch von mehr als 76’000 Dollar.
Da ist zum anderen die Hoffnung, dass Trump eher zurückhaltend regulieren werde. In der Biden-Regierung haben die Federal Trade Commission und das Justizministerium eine enge Auslegung des Wettbewerbsrechts an den Tag gelegt, Übernahmen verboten und aktiv Verfahren angestrengt, um die Marktmacht von Amazon, Apple, Google und Meta zu brechen.
Gegen Google sind derzeit zwei Verfahren anhängig, um die Marktposition des Unternehmens bei der Internetsuche und im Online-Werbemarkt zu untersuchen. Trump hat schon im Wahlkampf angedeutet, dass er das Unternehmen nicht durch eine Aufspaltung «zerstören» will: «Das ist eine sehr gefährliche Sache, denn wir wollen grosse Unternehmen haben», sagte er. «Wir wollen nicht, dass China diese Unternehmen hat.» Die Antwort folgte auf X: «Glückwunsch an Präsident Trump zu seinem entscheidenden Sieg», schrieb Alphabet-CEO Sundar Pichai. «Wir befinden uns in einem goldenen Zeitalter amerikanischer Innovation und sind entschlossen, mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten.»
In dieser neuen Beschwichtigungsstrategie ist Elon Musk nur ein Teil eines grossen Puzzles – und doch ein besonderer. Musk spiegelt die zunehmende Verflechtung von Technologie und politischem Einfluss stärker als jeder andere. Auch er darf erwarten, von seiner Nähe zu Trump für seine Unternehmen zu profitieren. SpaceX unterhält milliardenschwere Verträge mit der Nasa und dem Verteidigungsministerium. Die US-Regierung reguliert Tesla durch die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Wenn Musk der neue Aufräumminister in Trumps Regierung wird, kann er auch die Hürden für seine eigenen Unternehmen schnell mal beseitigen.
Trump hat verschiedentlich angekündigt, Elon Musk werde eine Rolle als «Regierungseffizienzminister» bekommen. Wie das aussehen könnte, hat Musk nach seiner Übernahme von Twitter, jetzt X, 2022 gezeigt. In kürzester Zeit entliess er 80 Prozent der Belegschaft, zuallererst diejenigen, die mit Vertrauens-, Ethik-, Transparenz- und Menschenrechtsfragen betraut waren. Das Netzwerk hat sich seitdem zu einer Desinformationsschleuder entwickelt – und Musk zum Multiplikator für Verschwörungstheorien über kriminelle Einwanderer. Seine Posts auf X sind im Wahlkampf mehr als zwei Milliarden Mal angeschaut worden. Mit Gegnern debattiert man nicht, man verleumdet sie schlicht – darin sind Trump und Musk sich praktisch einig.
Die Tech-Industrie, einst ein Hort liberaler Werte, die für offene Märkte und gesellschaftliche Reformen stand, bewegt sich nun in Richtung einer neuen Ideologie, die Geschwindigkeit und den Bruch mit etablierten Normen preist. Für Musk und seine Anhänger verkörpert Trump eine ganz besondere «Gründermentalität»: die Fähigkeit, sich über die traditionellen Regeln hinwegzusetzen und den eigenen Weg zu verfolgen, koste es, was es wolle.
Damit zieht in die US-Regierung der «Silicon Valley Solutionism» ein: Alles lässt sich demnach mit Technologie lösen; es muss schnell gehen; Wahrheit ist eine Frage der eigenen Interessen; und Rücksicht kann man keine nehmen, wenn man erfolgreich sein will. Eine Regierung ist aber kein Softwareunternehmen und sollte auch nicht als ein solches geführt werden. Es gibt gute Gründe, warum sich die Führung eines Unternehmens von der eines Landes unterscheidet. Bestimmen wenige über das Geschick aller, ist das keine Demokratie mehr. Das ist eine Oligarchie.
*Miriam Meckel ist Kommunikationswissenschafterin, Professorin an der HSG, ehemalige Chefredaktorin «Wirtschaftswoche»