CDU und AfD: Mit dem Rücken zur Wand geht Friedrich Merz ins Risiko
Das Attentat von Aschaffenburg, bei dem am Mittwoch ein Afghane zwei Menschen erstach, darunter einen zweijährigen Buben, hat die deutsche Politik in Bewegung versetzt:CDU-Chef Friedrich Merz hat nicht nur drastische Verschärfungen in der Migrationspolitik gefordert, sondern auch angekündigt, wer diese nicht mittrage, mit dem werde er nicht koalieren.
Merz’ Vorstoss dürfte aus der Verzweiflung geboren sein: Angesichts sinkender Umfragewerte möchte er Handlungsfähigkeit demonstrieren. SPD und Grüne haben bereits erklärt, seinen Vorschlag, auch Schutzsuchende an den Grenzen abzuweisen, für rechtswidrig zu halten.
Am Donnerstag konkretisierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, was Merz’ Ankündigung – sollte sie denn ernst gemeint sein – bedeuten würde: Die Union werde auf eine Regierungsübernahme verzichten, sollte sich ausser der AfD keine Partei finden, die ihre Pläne mittrage.
Seinem Chef hat Linnemann damit keinen Gefallen getan: Einiges spricht nämlich dafür, dass Merz nach der nächsten Wahl doch mit der SPD oder den Grünen koalieren wird. Sollte er dafür Abstriche an seinem Massnahmenkatalog zur Migration machen, wird die Enttäuschung umso grösser sein. Profitieren würde davon vor allem die AfD.
Deren Chefin Alice Weideltreibt Merz schon jetzt vor sich her: Ihre Partei sei bereit, schon vor der Wahl gemeinsam mit der Union eine Migrationswende zu beschliessen. Nehme Merz dieses Angebot nicht an, riskiere er weitere Menschenleben. Die Union reagierte am Freitag: Man werde nächste Woche Vorschläge in den Bundestag einbringen und nehme dabei auch die Zustimmung der AfD in Kauf.
Ob dann eine Mehrheit zustandekommen wird, ist ungewiss: Auch zusammen mit der FDP und der AfD bräuchte die Union noch die Zustimmung parteiloser Abgeordneter oder des Bündnis Sahra Wagenknecht, um ihre Pläne durchzubringen.
Nach der Wahl Ende Februar wäre eine Mehrheit für Verschärfungen in der Migrationspolitik wohl sicher, doch um sie in der Form beschliessen zu können, wie Merz sie diese Woche angekündigt hat, bräuchte er wahrscheinlich auch dann die AfD. Eine Verständigung mit den Rechtsradikalen bliebe für den CDU-Chef aber in jedem Fall riskant: Ein Teil seiner Parteikollegen könnte ihm die Gefolgschaft verweigern.
Auf absehbare Zeit gibt es wohl nur eine sichere Möglichkeit, nennenswerte Reformen in der Migrationspolitik durchzusetzen: Dass sich die SPD auf die Union zubewegt. Die Chancen dafür stehen nicht einmal schlecht, müssen doch auch die Sozialdemokraten nachBluttaten wie jener in AschaffenburgAngst vor dem Wähler haben.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hiess es, der Attentäter von Aschaffenburg sei Syrer. Tatsächlich handelt es sich um einen Afghanen.