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Anzeige gegen Luzerner Polizei: Staatsanwaltschaft muss nochmals über die Bücher

Bundesgericht heisst Beschwerde von alt Kantonsrätin teilweise gut: Heidi Joos war nach einer Corona-Demo einer Leibesvisitation  unterzogen worden und wurde 20 Stunden lang festgehalten.

Die Staatsanwaltschaft Luzern muss sich nochmals mit der Anzeige einer heute 65-jährigen Frau befassen, die im Mai 2020 an einer unbewilligten Demonstration gegen die Corona-Massnahmen teilnahm. Dies hat das Bundesgericht entschieden.  Die Polizei hatte die Frau einer Leibesvisitation unterzogen und über Nacht inhaftiert.

Bei der Festgenommenen handelte es sich um die Stadtluzernerin Heidi Joos. Die Geschäftsführerin des Verbands Avenir 50 Plus engagiert sich gegen Altersdiskriminierung und sass früher im Stadt- und Kantonsparlament. Sie äusserte sich in einem offenen Brief zu den Vorgängen.

Zudem zeigte sie die Polizei wegen Amtsmissbrauchs und Freiheitsberaubung an. Sie kritisierte, es sei zu ihrem Nachteil zu verschiedenen Verletzungen von in der Menschenrechtskonvention festgehaltenen Rechten gekommen.

Die Luzerner Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen ursprünglich sechs Polizistinnen und Polizisten mangels Tatverdacht im Dezember 2020 ein. Eine Beschwerde der Frau gegen diesen Entscheid wies das Kantonsgericht ab, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor geht.

Nie ganz nackt

Das Bundesgericht hat die Beschwerde der Frau nun in zwei Punkten gutgeheissen. So war die Frau im Hauptgebäude der Luzerner Polizei einer Leibesvisitation unterzogen worden. Dabei war sie zwar nie vollständig unbekleidet gewesen, da die Kontrolle auf Ober- und Unterkörper aufgeteilt war und sich die Betroffene jeweils wieder anziehen konnte.

Allerdings stellt sich laut Bundesgericht die Frage, ob zur Vermeidung der Eigen- und Fremdgefährdung nicht auch ein Abtasten der Frau über den Kleidern ausgereicht hätte. Grundsätzlich sei immer das mildest mögliche Mittel einzusetzen.

Aus den Akten gehe auch nicht hervor, ob die beiden involvierten Polizistinnen tatsächlich eine Anweisung von ihrem Vorgesetzten erhalten hätten. Die Staatsanwaltschaft hatte sich dabei allein auf die Aussagen der Polizistinnen gestützt, ohne die entsprechende Dienstanweisung anzufordern.

Festnahme rechtmässig

Weiter ist laut Bundesgericht nicht erstellt, ob die Inhaftierung der Frau über Nacht und damit für die Dauer von über 20 Stunden notwendig war. Der Sachverhalt sei nicht klar. Nachdem die Betroffene befragt worden war, konnte sie gehen. Das Bundesgericht führt aus, dass die Frau zwecks Befragung allenfalls einfach für den kommenden Tag hätte vorgeladen werden können.

Als rechtmässig bezeichnet das Bundesgericht hingegen die Festnahme der Frau. Videoaufnahmen zeigten, dass sie sich einer Kontrolle habe entziehen wollen und die Polizisten mindestens einmal mit «Arschloch» beschimpft habe.

Hinweis

(Urteil 6B_1062/2021 vom 27.5.2022)

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