«Integration beginnt über die Sprache»: Das sagt die Expertin vom Kanton zur Anstellung von Menschen mit Schutzstatus S
Cäcilia Willi unterhält die kantonale Kontaktstelle für Arbeitgebende des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) im Aargau. Sie ist Ansprechpartnerin für Firmen, die eine Stelle an vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge vergeben wollen. Gegenwärtig sind auch geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S auf Stellensuche im Aargau. Und zahlreiche Unternehmen sind gewillt, Geflüchtete einzustellen.
Wenn Fragen aufkommen, gehen die Firmen zu Cäcilia Willi. Die AZ hat bei ihr nachgefragt, was Firmen alles erfüllen müssen, um Geflüchtete anstellen zu können und inwiefern diese durch ihren erhaltenen Status unterschiedliche Voraussetzungen haben.
Gibt es unterschiedliche Voraussetzungen für Geflüchtete je nach Status?
Menschen mit Schutzstatus S und vorläufig Aufgenommene oder Flüchtlinge unterscheiden sich in mehreren Punkten. Diejenigen, die den Schutzstatus S erhalten, müssen – im Gegensatz zu vorläufig Aufgenommenen – kein ordentliches Asylverfahren durchlaufen. In der Schweiz dürfen Ukraine-Geflüchtete einer Arbeit nachgehen und auch selbstständig erwerbstätig sein.
«Die Voraussetzungen von Flüchtlingen sowie vorläufig Aufgenommenen und Menschen mit Schutzstatus S unterscheiden sich arbeitsrechtlich nicht. Bei allen sollten die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden», sagt Cäcilia Willi. Denn auch vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge ohne den Schutzstatus S können nach Erhalt ihres Aufenthaltsstatus anfangen zu arbeiten.
Einen Unterschied gibt es jedoch: Bei vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen ist der Arbeitgeber zu einer Meldung der Anstellung verpflichtet, bei Personen mit Schutzstatus S muss der Arbeitgeber eine Bewilligung für die Anstellung beim Amt für Migration und Integration des Kantons einholen. Die Meldung/Bewilligung diene zum Schutz der Arbeitnehmenden, damit die Arbeitsbedingungen geprüft werden können.
Bund und Kantone sollen entlastet werden und die Geflüchteten nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig sein. «Das Ziel ist eine nachhaltige und langfristige Integration in den Arbeitsmarkt», sagt Willi.
Was muss eine Firma machen, um jemanden mit Schutzstatus S anstellen zu können?
«Bei Ukraine-Geflüchteten, die den Schutzstatus S erhalten haben, rechnet man damit, dass diese irgendwann in ihre Heimat zurückkehren können», sagt Willi. «Die Arbeit darf erst aufgenommen werden, wenn die schriftliche Arbeitsbewilligung vorliegt. Und diese kann erst ausgestellt werden, wenn der Schutzstatus S vorliegt.» Es liege beim Arbeitgeber, die notwendige Arbeitsbewilligung beim Amt für Migration und Integration einzuholen. Dazu gilt es, ein Formular mit einer Kopie des unterzeichneten Arbeitsvertrags einzureichen.
«Es ist zu beachten, dass die im Kanton Aargau geltenden branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten sind», sagt Willi. Es seien bereits Gesuche abgelehnt worden, da der Mindestlohn nicht eingehalten worden sei.
Was muss der oder die Anstellungswillige mitbringen?
«Die Integration beginnt über die Sprache und es ist essenziell, Deutschkenntnisse oder je nach Branche Englischkenntnisse zu haben», sagt Willi. «Je besser die Sprachkenntnisse, je höher die Motivation von Geflüchteten, sich in den Schweizer Arbeitsmarkt zu integrieren und die Bereitschaft von Arbeitgebenden den Geflüchteten eine Stelle anzubieten, umso besser gelingt die Arbeitsmarktintegration.»
Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene werden nach einem positiven Asyl-Entscheid intensiv auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Sie lernen Deutsch, trainieren Schlüsselqualifikationen und lernen die Werte und Kultur des Schweizer Arbeitsmarktes kennen. Danach erfolgen die ersten Arbeitseinsätze in Unternehmen.
Bei Ukrainerinnen und Ukrainern mit Schutzstatus S ist diese Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt (noch) nicht erfolgt. «Je nach Vorkenntnissen benötigt man zwischen neun Monaten bis zu 1 ½ Jahren Zeit, bis die Deutschkenntnisse gut genug sind», sagt Willi.
In welchen Branchen sind Deutschkenntnisse besonders gefragt?
Oftmals also sind Deutschkenntnisse entscheidend für eine Anstellung. Diese Begebenheit unterscheidet sich aber je nach Branche und je nachdem, wie viel gesprochen, gelesen oder Kontakt zu Kundinnen und Kunden hergestellt werden muss. Dies sei aber auch innerhalb der Branchen und je nach Betrieb sehr individuell, sagt Willi.
Gerade auch bezüglich Menschen mit Schutzstatus S könne dazu noch keine Aussage getroffen werden, da im Aargau bisher erst wenige Arbeitsbewilligungen (28 bis zum 27. April) erteilt wurden. «Wir hatten eine Stellenmeldung, wo eine Stelle als Küchenhilfe ausgeschrieben war und jemand im Team Ukrainisch spricht. Hier würde das wohl auch ohne tiefere Deutschkenntnisse funktionieren», sagt Willi.
Aus der Erfahrung mit vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen könne man weiter auch sagen, dass der Landwirtschaftssektor und beispielsweise auch die Branchen Gartenbau und Gastronomie, im Allgemeinen am wenigsten Probleme damit haben, wenn kaum Deutschkenntnisse vorhanden sind. «In diesen Bereichen konnten wir bereits viele Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren», sagt Cäcilia Willi.
In welchen Branchen werden Ukrainerinnen und Ukrainer erwartet, die eine hohe Qualifikation aufweisen?
«Bezüglich der Qualifikation der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer kann man nur Mutmassungen anstellen», sagt Willi. Wenn, dann würden insbesondere in den Bereichen IT, Ingenieurwesen, Medizin und Wissenschaft Hochqualifizierte erwartet, kombiniert mit sehr guten Deutsch- oder Englischkenntnissen.