Von Toten, Gefühlen und viel Geld: In der Finanzpolitik spielt die bürgerliche Allianz – dank der Mitte
Von wegen: Schweizerinnen und Schweizer sprechen nicht gerne über Geld. Geschlagene zwölf Stunden debattierte der Nationalrat diese Woche exakt über dieses Thema. Und das war erst der Anfang. Traditionell in der Wintersession diskutieren, streiten und feilschen die eidgenössischen Räte um das Budget für das kommende Jahr.
Ebenso traditionell spielt die Mitte-Partei dabei das Zünglein an der Waage. Üblicherweise gab sie sich dabei staatstragend und unterstützte oft die Linie des Bundesrats. Dadurch fehlten den grossen Kürzungsansinnen von der rechten Ratsseite und den Ausbauanträgen von links die jeweilige Mehrheit. So wurde zwar da und dort gespart und ausgebaut, aber meist in homöopathischen Dosen.
Dieses Jahr wechselte die Mitte von der Rolle der Wächterin in eine, die gestalten will. Zusammen mit der FDP und der SVP drückte sie in einer Art Power-Play mehr Geld für die Armee durch. 530 Millionen Franken mehr als der Bundesrat wollte, soll das Militär im kommenden Jahr erhalten. Einen Grossteil dieser Mittel will die bürgerliche Mehrheit (mit einigen Abweichlern bei der Mitte) bei der Entwicklungshilfe abzwacken: 250 Millionen Franken.
Die unheilige Allianz griff nicht
Ebenfalls bluten soll das Bundespersonal und das Asylwesen. Auch hier verhalf jeweils die Mitte der Ratsrechten zum Durchbruch. Der bürgerliche Block habe gehalten, freuten sich dann auch viele. Es sei Aufgabe des Parlaments «die Prioritäten zu setzen», hiess es immer wieder. Die Ratslinke kämpfte wortgewaltig dagegen. Die Voten, in denen gar von Toten aufgrund der Entscheidungen die Rede war, verhallten bereits auf der Zuschauertribüne.
Am Ende sprach sich eine solide Mehrheit für das neu zusammengeschusterte Budget aus. Die viel beschworene unheilige Allianz aus SVP und Linken griff nicht. Für die SVP gab es auch praktisch keine Gründe, gegen die Vorlage zu sein – fast alle ihre Forderungen fanden Gehör. Auch darum ist das Szenario eines Notbudgets damit vom Tisch. Nur im sehr unwahrscheinlichen Fall, dass der Ständerat das Budget zwei Mal in der Gesamtabstimmung ablehnen würde, könnte das noch passieren.
Das heisst aber nicht, dass bereits alles in trockenen Tüchern ist. Der Ausbau beim Militär dürfte aber entschieden sein. Zumindest jener für das kommende Jahr: Auch die Finanzkommission des Ständerats empfiehlt exakt jene Aufstockung, die der Nationalrat beschlossen hat. Anderer Meinung ist die kleine Kammer, wie es in den Folgejahren weiter geht.
Wie schnell soll die Armee aufgerüstet werden?
Der Nationalrat drückt hier aufs Tempo und will die Armeeausgaben bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukt anheben. Dem Ständerat schwebt 2032 vor und dem Bundesrat gar 2035. Je schneller es gehen soll, desto drastischer werden die weiteren Sparübungen in den kommenden Jahren – und das bei sowieso angespannten Bundesfinanzen.
Ebenfalls strittig bleibt die Gegenfinanzierung der Armeeaufstockung. Der Ständerat wird aller Voraussicht nach am Montag deutlich kleinere Kürzungen bei der Entwicklungshilfe beschliessen. Der Vorschlag der Kommission lautet 30 Millionen Franken. Dafür soll an diversen anderen Stellen mehr gespart werden.
Am Ende wird sich hier wohl ein Kompromiss durchsetzen. Mitte-Präsident Gerhard Pfister hielt auf Radio-SRF einen Einschnitt bei der Entwicklungshilfe von 100 Millionen Franken für realistisch. Wo genau die restlichen Beträge gestrichen werden, wird sich in den kommenden beiden Wochen weisen. Am Montag ist die Reihe nun am Ständerat.
Amherd gewinnt, Cassis verliert
Grosse Profiteurin der ganzen Sparübung ist aber sowieso Bundesrätin Viola Amherd. Sie erhält deutlich mehr Geld für die Armee – auch das dürfte erklären, warum die Mitte diesen Ausbau so entschlossen mitträgt. Dass im Gegenzug besonders das Aussendepartement von FDP-Cassis Abstriche machen soll, wird wohl auch gerne in Kauf genommen. Dabei wäre es ja eigentlich so, wie es am Mittwoch der Debatte hiess: «Gefühle haben in den Budgetdiskussionen nichts zu suchen.»
Gesagt hat das Tamara Funiciello. Das ist jene SP-Nationalrätin, die noch am Tag davor gesagt hatte, dass Menschen ob der Entscheidungen des bürgerlichen Blocks sterben werden. Aber über Gefühle sprechen Schweizerinnen und Schweizer ja mindestens so ungern wie über Geld.