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Feldweibel wegen Schwulenfeindlichkeit verurteilt – Bundesrat will homophobe Vergangenheit des Militärs aufarbeiten

Homophobe Sprüche werden in der Armee auch im Jahr 2023 geklopft. In einem krassen Fall wurde jetzt ein Feldweibel verurteilt. Und schon bald könnte sich die Frage stellen: Muss die Schweiz schwule Armeeangehörige, die diskriminiert wurden, finanziell entschädigen?

Es steht im Dienstreglement: Alle Armeeangehörigen müssen die Menschenrechte und die Würde der Menschen in ihrer Vielfalt achten. Seit Anfang 2018 gilt das Diskriminierungsverbot explizit auch für die sexuelle Orientierung. Doch nicht alle Männer in Tenue grün halten sich an diese Regeln. Die Militärjustiz hat einen Hauptfeldweibel wegen Beschimpfung und sexueller Belästigung zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 100 Franken und einer Busse von 400 Franken verurteilt, wie die «Sonntagszeitung» berichtet.

Gemäss dem Artikel rief der Hauptfeldweibel von der Kaserne in Thun einen homosexuellen Armeeangehörigen an, den er aus gemeinsamen Dienstzeiten kannte. Der Angerufene meldete sich nicht. Darauf hinterliess der Hauptfeldweibel auf der Combox eine Sprachnachricht mit homophoben Beleidigungen. Im Hintergrund hörten fünf Armeeangehörige unter Gejohle zu. Der Hauptfeldweibel hat gegen das Verdikt Rekurs eingelegt; er habe nur einen Spass gemacht.

Wie häufig Armeeangehörige wegen ihrer sexuellen Orientierung angefeindet und diskriminiert werden, ist nicht bekannt. In diesen Wochen führt die Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity zusammen mit dem externen Forschungsinstitut Link eine Befragung zu Diskriminierung und Gewalt in der Armee wegen des Geschlechts und/oder der sexuellen Orientierung durch.

Armeechef Süssli: «Hier herrscht absolute Nulltoleranz»

Dominik Winter ist Präsident der Queerofficers Switzerland, dem Verein der homo- und bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Armeeangehörigen der Schweizer Armee. «Solange Homophobie in der Schweiz ein Thema ist, findet sie auch in der Armee statt», sagt er. Ein rauer Umgangston im heteronormativen Umfeld der Armee könne auch einmal zu einer Stimmung führen, in der sich queere Armeeangehörige nicht mehr wohl fühlten.

Winter lobt aber militärische Vorgesetzte und Kameraden: «Aus Sicht der Queerofficers achten sie grundsätzlich auf einen respektvollen Umgang miteinander.» Grösstenteils seien sich militärische Vorgesetzte ihrer Verantwortung für das Wohlergehen all ihrer Unterstellten bewusst und würden solche Übergriffe konsequent ahnden. Trotzdem komme es in Einzelfällen leider zu solchen Ausfälligkeiten, und wenige davon würden auch an die Fachstelle Diversity der Armee oder an die Queerofficers herangetragen.

Die Queerofficers schätzen es, dass sie mit ihren Anliegen Rückendeckung von oberster Stelle erhalten. Als sie am 2. September 2021 beim Ausbildungszentrum der Armee in Luzern einen «Baum der Vielfalt» pflanzten, sagte Armeechef Thomas Süssli, Diskriminierung und Übergriffe lasse er keine zu: «Hier herrscht absolute Nulltoleranz.»

Noch vor nicht allzulanger Zeit hatten nicht heterosexuelle Menschen in der Gesellschaft und auch in der Armee einen deutlich schwereren Stand als heute. Eine «abnorme sexuelle Veranlagung», etwa Homosexualität, galt als Grund für Dienstuntauglichkeit. Erst seit 1992 ist einvernehmlicher Sex zwischen Armeeangehörigen im Militärgesetz nicht mehr verboten. Homosexuelle waren in der Armee nicht willkommen, erinnert sich Rolf Stürm. Der 72-jährige ehemalige Hauptmann ist Mitglied der Queerofficers.

«Baum der Vielfalt»: Armeechef Thomas Süssli (links) und Dominik Winter von den Queerofficers beim Ausbildungszentrum in Luzern.
Bild: Queerofficers (Luzern, 2. September 2021)

Als Kompaniekommandant bei den Sanitätern erhielt er in den 1970er- und 1980er-Jahren jeweils Listen mit Angaben zu Armeeangehörigen, die von der Rekrutenschule oder einer anderen Einheit zu seiner Truppe zugeteilt wurden. Bei Schwulen fand sich dabei eine mit Bleistift hingekritzelte Notiz: «HS» für homosexuell. Ob die Armeeangehörigen wegen dieses Etiketts diskriminiert wurden, weiss Stürm nicht.

Bundesrat erstellt Bericht zu Diskriminierung von Schwulen in der Armee

Antworten auf die Frage, wie Homosexuelle in der Vergangenheit in der Armee benachteiligt wurden und ob Schwule wegen ihrer sexuellen Orientierung von höheren Dienstgraden ferngehalten wurden, will jetzt der Bundesrat liefern. Die Zürcher SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf hatte einen Bericht dazu gefordert, der Nationalrat nahm ihren Vorstoss an.

Verteidigungsministerin Amherd wies in der Parlamentsdebatte vom vergangenen März jedoch darauf hin, die Aufarbeitung des Unrechts werde eine Herausforderung sein, weil aus datenschutzrechtlichen Gründen Daten über Armeeangehörige nicht länger als fünf Jahre nach der Entlassung aus dem Militärdienst aufbewahrt würden. Voraussichtlich daure es mehr als zwei Jahre, bis der Rapport vorliege.

Priska Seiler Graf sagte: «Es wird auch Oral History brauchen, den direkten Kontakt zu Betroffenen, zu ehemaligen Kommandanten, zu kantonalen Stellen und privaten Archiven und Nachlässen.» Nach der Aufarbeitung des Unrechts könne man sich überlegen, welche Formen der Wiedergutmachung angezeigt seien. Seiler Graf kann sich etwa eine Entschuldigung des Bundesrats oder in besonders krassen Fällen auch eine finanzielle Entschädigung vorstellen.

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