Armutsstudie zeigt: Fast jeder 10. Schweizer hat Mühe, finanziell über die Runden zu kommen
Auf einer Skala von 0 bis 10 lag der Mittelwert der Zufriedenheit mit dem jetzigen Leben in der Schweiz bei 8, während er in Österreich 7,9, in Italien 7,2, in Frankreich 7,0 und in Deutschland 6,5 betrug. In der Schweiz hat sich die Lebenszufriedenheit seit 2014 kaum verändert und steigt mit dem Alter, dem Bildungsniveau und dem Einkommen:
Besonders zufrieden ist die Bevölkerung in zwischenmenschlichen Bereichen wie dem Zusammenleben, dem Arbeitsklima oder den persönlichen Beziehungen. Mehr als die Hälfte der Personen ab 16 Jahren war 2022 in diesen Bereichen sehr zufrieden (Werte von 9 oder 10). Mit der vorhandenen Freizeit oder der persönlichen finanziellen Situation war dagegen nur jede dritte Person sehr zufrieden.
Bei den Haushalten weisen Paare ab 65 Jahren die höchste Zufriedenheit auf. Diese sinkt, sobald Kinder dazukommen. Einzig die Personen unter 65 Jahre, die alleine leben, sind knapp unzufriedener als Einelternhaushalte:
Lebensstandard gehört zu den höchsten Europas
Der allgemeine Lebensstandard der Schweiz wird anhand des medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens gemessen, wobei die Preisniveauunterschiede zwischen den Ländern korrigiert werden. In der Schweiz ist dieses Einkommen 2,5-mal so hoch wie in Griechenland, 1,5-mal so hoch wie in Italien, 1,3-mal so hoch wie in Frankreich, 1,2-mal so hoch wie in Deutschland und 1,1-mal so hoch wie in Österreich. Trotz des hohen Preisniveaus in der Schweiz ist der Lebensstandard der Bevölkerung also höher als in den Nachbarstaaten und der Mehrheit der EU-Länder:
Lebensbedingungen sind nicht für alle gleich
2022 hatten 9,9 Prozent der Personen in der Schweiz Schwierigkeiten, bis zum Monatsende über die Runden zu kommen, und 4,9 Prozent der Bevölkerung waren von materieller und sozialer Deprivation betroffen. Dies bedeutet, dass sie aus finanziellen Gründen auf wichtige Güter, Dienstleistungen und soziale Aktivitäten wie zum Beispiel neue Kleider, regelmässige Freizeitaktivitäten oder Treffen mit Freunden verzichten mussten, ihre Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen oder keine unerwartete Ausgabe begleichen konnten. Mit Abstand am stärksten betroffen davon sind Einelternhaushalte:
Deprivierte Personen weisen eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit auf: 2022 war nur jede neunte deprivierte Person mit ihrem Leben sehr zufrieden (10,9 Prozent vs. 37,9 Prozent der Gesamtbevölkerung). Deprivierte Personen gaben zudem auch besonders häufig an, sich meistens oder ständig entmutigt oder deprimiert zu fühlen (24,3 Prozent vs. 5,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) und waren seltener meistens oder ständig glücklich (37,1 Prozent vs. 76,6 Prozent der Gesamtbevölkerung).
Im europäischen Vergleich hat die Schweiz einen tiefen Anteil deprivierter Personen. Nur sieben Länder weisen einen noch tieferen Anteil auf:
8,2 Prozent der Bevölkerung waren einkommensarm
In der Schweiz waren im Jahr 2022 (Einkommen 2021) 8,2 Prozent der Bevölkerung einkommensarm. Dies entspricht rund 702’000 Personen. Die Armutsquote lag damit tendenziell tiefer als im Jahr davor (8,7 Prozent), der Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant. Ausserdem sind die seit 2022 erfolgten Preisanstiege für Elektrizität, Heizkosten und Konsumgüter in diesen Zahlen noch nicht abgebildet.
In den neun Jahren bis 2022 ist die Armutsquote um über einen Prozentpunkt angestiegen:
Wie in den Vorjahren sind ausländische Personen, Personen in Einelternhaushalten, Personen ohne nachobligatorische Ausbildung und Personen in Haushalten ohne Arbeitsmarktteilnahme besonders häufig von Einkommensarmut betroffen. Die Armutsquote der erwerbstätigen Bevölkerung lag mit 3,8 Prozent (144 000 Personen) ebenfalls leicht tiefer als im Vorjahr (4,2 Prozent). Auch diese Entwicklung ist jedoch statistisch nicht signifikant.
Die Armutsgrenze wird von den Richtlinien der Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) abgeleitet und betrug im Jahr 2022 durchschnittlich 2284 Franken im Monat für eine Einzelperson und 4010 Franken für zwei Erwachsene mit zwei Kindern. Davon müssen die Ausgaben des täglichen Bedarfs (Essen, Hygiene, Mobilität etc.) sowie die Wohnkosten bezahlt werden, nicht jedoch die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung. Diese werden wie die Sozialversicherungsbeiträge, Steuern und allfällige Alimente vorgängig vom Haushaltseinkommen abgezogen.