Ist Roger Federer auch eine Bank? – Das ist die ultimative Gebrauchsanleitung für die Art Basel
Alle Augen liegen auf Basel. Die Headline der «Art Newspaper», des massgebenden Magazins, das am Messeplatz allerorts gelesen wird, nennt für die Gründe drei Buchstaben: UBS. Der erste Tag der Art Basel ist gleichzeitig Tag eins der Übernahme der CS durch die UBS. Die Grossbank ist die Hauptsponsorin der Messe. Durch die Integration der CS fürchtet der Kunstmarkt Einbrüche.
Wer jetzt nicht kauft, kauft womöglich nie mehr so preiswert. Die Stimmung ist fiebrig, die Stände der Megadealer vollgepackt mit Händlern, Informantinnen und Kundinnen. Die Messewährung ist der eigene berufliche Status. Direkt danach zu fragen, ist tabu. Das Abrakadabra zur Kunstwelt ist die Frage: «Sind sie auch eine Künstlerin?» Das ist ein Kompliment, das Türen öffnet.
Schritt 1: Selbstvertrauen hat Vortritt
Die Reichen und Mächtigen sind wie Pferde. In der Sekunde, in der sie Angst riechen, werden sie unruhig. Setzen Sie ihr Pokerface auf und bewegen Sie sich wie eine Zen-Buddhistin durch die Messe. 285 Galerien in der Halle 2 sind zu besuchen, vier weniger als im Vorjahr. Erinnern Sie sich dabei stets an den Kurswert der Angebote in dieser Reihenfolge: Skulptur, Malerei, Zeichnung, Fotografie, NFT. Alles, was im Raum zu greifen ist, kostet mehr als das, was keinen realen Gegenwert hat: 2022 hat sich der Wiederverkaufswert der NFT gegenüber 2021 mit 1,5 Milliarden glattweg halbiert. Die Kunst-Revolution muss warten.
Schritt 2: Kennen Sie Ihr Budget, und zwar das reale
Wenn eine Galeristin Ihnen ihre Preisvorstellung nennt, ist das nicht die Summe, für die sie das Werk tatsächlich auch verkaufen wird. Diese wird davon abhängen, wer Sie sind. Und wie Sie verhandeln. Die führende Schweizer Galerie Hauser & Wirth (mit neun Vertretungen zwischen Hongkong und Los Angeles) verkauft bereits am ersten Tag eine der Bronze-Spinnen von Louise Bourgeois, Kaufpreis 22,5 Millionen Dollar. Ein wesentlich grösseres Exemplar der 2010 verstorbenen Französin kostete an der letztjährigen Art Basel üppige 40 Millionen Dollar. Der Preis von 22,5 Millionen für das vergleichsweise kleine Tier scheint einigen Informierten überteuert. Was in den Hinterzimmern des Standes wie zustande kam, wer weiss es.
Schritt 3, Vorsicht: Hände weg von Roger Federer
Haben Sie 5 Millionen Franken zur Hand als Einsatz für ein Kunstwerk, ist das eine feine Sache. Brandneue Werke der sicheren Werte Maurizio Cattelan und des Schweizers Urs Fischer sind in diesem Rang. Ein gefleckter Ton-Kürbis der gehypten japanischen Künstlerin Yayoi Kusama ist in diesem Rang. Kürbisse sind deren Alter Ego. Die Galerie David Zwirner (New York, Los Angeles, London, Paris, Hongkong) zeigt auch getupfte Selbstporträts. Kusama ist ein Bluechip und wertbeständiger als Gold. Doch was Spass macht, kann auch billiger sein: Der Schweizer Künstler in New York Ugo Rondinone lässt in der Galerie von Eva Presenhuber (Zürich, Wien) Roger Federer fliegen; der Himmelsstürmer «humanskysix», für den der Sportler Modell sass, kostet 360’000 Dollar. Ein überirdischer Preis? Rondinones Werke sind seit 2018 im Sinkflug, der Federer by Rondinone befindet sich im mittleren Preissegment des Künstlers. Eine Risikoanlage ist das auf jeden Fall.
Die Galerie Landau, bekannt für ihre Meister der Moderne, bietet zwei historisch bedeutsame Picassos für je 25 Millionen Franken an. Das freundliche Ehepaar Landau aus Montreal besitzt am Vierwaldstättersee auch einen Showroom in Meggen, an der Hauptstrasse des Dorfs, wo auch das Atelier des ehemaligen Kunstfälschers Beltracchi liegt. «No comment!», ist ihre Reaktion auf den Nachbarn. Was an Kommentaren zu Beltracchi dann doch folgt, ist nicht zitierfähig. Doch bewiesen ist: Meggen muss eine Klientel haben, die für Kunst zweistellige Millionenbeträge ausgibt.
Schritt 4: Rechnen Sie zweimal, rechnen Sie kaltblütig
5000 Franken als Einsatz ist das ideale Eintrittsgeld an der diesjährigen Art. Mit Verlusten ist auf dieser Flughöhe nicht zu rechnen. Junge Kunst kostet kaum mehr: die Deutsche Andrea Büttner in der Galerie Tschudi (Zuoz, Glarus, Zürich) zum Beispiel, die Holzschnitte macht. Büttners Arbeiten sind bis Ende September auch im Kunstmuseum Basel zu sehen, ein Beleg dafür, dass sie vom Kunstkanon angenommen worden ist – und ihre Preise in kurzer Zeit steigen werden. Oder die Entdeckung bei Karma International (Zürich, Los Angeles): die Textilarbeiten der Roma-Künstlerin Malgorzata Mirga-Tas, international bekannt, seit sie an der Biennale den polnischen Pavillon bespielte. Mirga-Tas arbeitet mit getragenen Stoffen von Frauen ihres Dorfs. Die Nadel mit ihrer magischen Kraft wird – wie Louise Bourgeois sie auch beschrieb – «benutzt, um Schäden zu reparieren. Sie steht für den Willen zur Vergebung». In ihren Patchworks bessert Mirga-Tas symbolisch das Beziehungsgefüge der marginalisierten Roma im Gewebe der europäischen Gesellschaften aus.
Eine sichere Investition ist auch der aufstrebende Maler Tavares Strachan aus den Bahamas. In der marktbeherrschenden Galerie von Marian Goodman (New York, Paris, Los Angeles) kostet der Künstler bereits bis zu 300’000 Dollar. Doch Marktneulinge finden kleinere Werke von ihm auf der Messe – oder online – auch für einen Bruchteil. Galerien wie Goodman sind dieses Jahr auf der politisch korrekten Linie und wollen Kunstschaffende aus dem sogenannten Globalen Süden fördern. Wer hier anlegt, liegt richtig.
Schritt 5: Entsagen Sie noch kaltblütiger – und bereuen Sie nichts
50 Franken als Spielgeld? Ein Glas Champagner im Innenhof der Halle 2 kostet Sie 18 Franken. Und der Schatten der neuen Feigenbäume, die endlich die Hitze des Asphalts auf ein erträgliches Mass kühlen, ist umsonst. Genauso viel, nämlich nichts, muss man aufwenden, um hier wertvolle Gossip vom Nebentisch zu erfahren. Hauser & Wirth soll im Oktober im Paris in unmittelbarer Nähe zu den Champs-Élysées einen neuen Showroom eröffnen. Wer also in der ultimativen Boom-Galerie kauft, wird es nicht bereuen. Mit der notwendigen Geduld werden aus 50 Franken ja irgendeinmal ein bisschen mehr – und man ist Kundin. Investieren Sie allerdings besser in Ihre Fantasie, das lohnt immer.