Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen: Baume-Schneiders Partei, die SP, hält das für «hoch problematisch»
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider kommentierte die Einigung der EU-Staaten für eine Asylreform am Donnerstag vorsichtig positiv: Sie zeige, «dass Europa fähig ist, sich weiterzuentwickeln und das System zukunftsfähig zu machen». Die neuen, beschleunigten Grenzverfahren seien «interessant». Ausser Frage stehe aber, mit den Grundrechten und dem Respekt für das Recht herumzuspielen.
Ihre Partei, die SP Schweiz, ist da weitaus kritischer: «Die angedachten Asylverfahren an Europas Aussengrenzen ritzen an universellen Werten wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte», teilt sie auf Anfrage mit. Es brauche zwar europäische Lösungen, der eingeschlagene Weg sei aber «hoch problematisch».
Eine solidarische, realistische Reform müsse die Rechte der Flüchtlinge wahren. «Und schon gar nicht darf der Schutz von besonders vulnerablen Flüchtenden wie Kindern und Familien gefährdet werden.» Die Erfahrungen aus der Schweiz zeigten, dass gerade bei schnelleren Verfahren der Rechtsschutz besonders wichtig ist. Das Europäische Parlament müsse an der Vorlage noch «unbedingt Verbesserungen vornehmen».
Die Berner Nationalrätin Natalie Imboden von den Grünen findet es gut, dass sich die Schengen-Staaten zusammengerauft haben, um die Asylsuchenden fairer auf Mitgliedländer zu verteilen. Hingegen ist sie skeptisch, dass auch Frauen mit Kindern die schnellen Verfahren an den Aussengrenzen durchlaufen sollen. Die Rückführung von abgewiesenen Asylsuchenden in Drittstaaten hält sie für die falsche Lösung. «Wenn die Rückkehr in die Herkunftsländer nicht zumutbar ist, dann muss die Schweiz hier nach Lösungen suchen.»
Mitte-Präsident Gerhard Pfister bezeichnet es als «Fortschritt, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man das Migrations- und Asylproblem nur gesamteuropäisch koordiniert angehen kann». Auch der Ansatz, die Aussengrenze gemeinsam zu schützen, gehe in die richtige Richtung. Doch Pfister warnt vor hohen Erwartungen: «Die Umsetzung wird dauern.»
Asylsuchende in Italien abholen: FDP-Ständerat kritisiert Baume-Schneider
Der Zürcher Nationalrat Gregor Rutz findet es immerhin «bemerkenswert» und positiv, dass jetzt auch die EU realisiert habe, dass es einen Kurswechsel in der Asylpolitik braucht. Er zweifelt aber, ob die Reformen in der Realität funktionieren, denn: «Dafür bräuchte es einen wirksamen Schutz der Schengenaussengrenzen. Diese sind aber aktuell viel zu schlecht geschützt.»
Rutz befürchtet auch, dass sich neue Regeln zur Verteilung der Asylsuchenden nachteilig auf die Schweiz auswirken könnten – obwohl unser Land in Europa überdurchschnittlich viele Asylsuchende aufnehme. Für Rutz ist klar: «Es braucht in der Asylpolitik einen generellen Paradigmenwechsel.» Noch in dieser Session wird er einen Vorstoss einreichen, in dem er verlangt, dass die Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat ausserhalb von Europa durchgeführt werden. Es gehe auch darum, den Schleppern das Handwerk zu legen. Der Bundesrat hat sich bis jetzt stets gegen eine solche Lösung ausgesprochen.
Von der Stossrichtung der EU-Asylreform bestätigt sieht sich der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Als am Montag die kleine Kammer seine Motion für ein Pilotprojekt zur Rückführung abgewiesener eritreischer Asylsuchenden in ein Drittland guthiess habe, habe Justizministerin Baume-Schneider behauptet, dass dies rechtlich nicht machbar sei. Nun erkläre sogar die EU, «dass die Rückführungen in Drittländer möglich, denkbar und sogar erwünscht sind», sagt Müller.
Insofern begrüsse er die Reform. Doch der Luzerner lanciert schon den nächsten Angriff auf Baume-Schneider: Diese habe bereits die innereuropäische Umverteilung von Asylsuchenden akzeptiert. Das heisse, «dass Asylsuchende in Italien abgeholt werden, nachdem Italien sich weigert, Asylsuchende in seinem Zuständigkeitsbereich wieder aufzunehmen». Man hätte eine finanzielle Variante vorsehen können, um die Umverteilung von Asylsuchenden zu vermeiden, sagt Müller.