Abgelehnte Flüchtlinge aus Eritrea in ein Transitland ausschaffen – Kritiker sprechen von Symbolpolitik
Ein Migrationsabkommen mit Eritrea: Im Parlament wollen es alle, der Bundesrat ist ebenfalls dafür. So stimmte dem Vorstoss des ehemaligen Ständerats Thomas Minder (SH/parteilos) nach dem Ständerrat am Montag auch der Nationalrat stillschweigend zu. Das Problem: Das Anliegen ist illusorisch. Denn um ein solches Abkommen abzuschliessen, braucht es zwei. Und Eritrea lehnt es seit Jahren kategorisch ab, seine geflüchteten Landsleute wieder aufzunehmen.
Das wäre allerdings eine Voraussetzung für ein Migrationsabkommen. Für den Bundesrat ist klar, die Zusammenarbeit mit Eritrea soll vorangetrieben werden, doch einen Weg aus dem Stillstand ist derzeit nicht in Sicht. Die Mehrheit des Parlaments will diese zuwartende Haltung des Bundesrates nicht hinnehmen.
So stimmte nach dem Ständerat auch der Nationalrat einem Vorstoss der Schwyzer Ständerätin Petra Gössi (FDP) deutlich zu. Erfolgreich forderte sie, dass eritreische Flüchtlinge mit abgelehntem Asylentscheid vorübergehend in ein Drittland ausgewiesen werden sollen. Der Bundesrat muss dazu ein Land zu finden, mit welchem er ein Transitabkommen abschliessen kann. Als Möglichkeiten werden Ruanda, allenfalls auch Äthiopien genannt.
Als Vorbild dient den Befürworterinnen und Befürwortern das Transitabkommen mit Senegal von 2003. Dieses sah vor, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber für eine Transitzeit von 72 Stunden nach Senegal ausgewiesen werden. Dort war geplant, dass sie identifiziert werden und Ersatzpapiere erhalten, um in ihr Herkunftsland zurückzukehren. War dies nicht möglich, sollten die Asylsuchenden zurück in die Schweiz kommen. Das Problem: Das Abkommen trat nie in Kraft.
Bürgerlicher Tatendrang
Die Fronten im Parlament formten sich schon in der zuständigen Kommission. Mit 14 zu 11 Stimmen sprach sich eine Mehrheit für den Vorstoss und damit für die Rückführung von Eritreern aus. Die Stimmen der FDP und SVP übertrumpften jene aus SP, Grüne, GLP und Mitte.
Der Bundesrat lehnte den Vorstoss ab. Eritrea blockiere nicht nur die Rückweisung von Flüchtlingen aus der Schweiz, sondern aus allen Staaten, so sein Argument. Es sei daher unrealistisch, dass ein Land ein Transitabkommen unterzeichne, obwohl es wisse, dass die Flüchtlinge nicht nach Eritrea zurückkehren könnten.
Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss deutlich zu mit 120 zu 75 Stimmen. Das Anliegen überzeugte neben der SVP und der FDP auch weit in die Mitte. Der Tessiner Nationalrat Piero Marchesi (SVP) argumentierte: «Die Tatsache, dass die eritreischen Behörden die Rückführung verweigern, ist kein Grund, nicht zu handeln.» Da vermochte auch der Berner Nationalrat, Marc Jost (EVP) die Befürworter nicht umstimmen. Selbst das Kostenargument verfing nicht.
«Ausser Spesen nichts gewesen»
Jost warnte im Nationalrat davor, das Abkommen mit Senegal als Vorbild zu sehen. Ohne Rücknahmeabsicherung seitens Eritrea sei ein Transitabkommen zwecklos. Zudem stelle sich die Frage, welche Länder für ein solches Abkommen infrage kämen. Denn die Nachbarländer Sudan und Djibouti sind politisch instabil, mit Äthiopien stand Eritrea bis vor kurzem im Krieg, und Ruanda liege 2000 Kilometer entfernt und damit weder von der Distanz noch von der Sprache, die gesprochen wird, nahe.
Für die Schweiz bedeute ein Transitabkommen lediglich doppelte Kosten: Eine Summe an das Transitland für die vorübergehende Aufnahme der Asylsuchenden und die Summe für die Rücknahme in die Schweiz nach Ablauf der Transitfrist, sagte Jost. Im Namen der Minderheit schlussfolgert er: «Dann ist ausser Spesen nichts gewesen.» Doch die Mehrheit im Parlament sieht das anders. So steht Bundesrat Beat Jans nun vor einer undankbaren Aufgabe: Er muss den Auftrag des Parlaments umsetzen.
Gelingt es dem Bundesrat, ein solches Abkommen, müssten knapp 300 Eritreerinnen und Eritreer aus der Schweiz ausgewiesen werden. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bezeichnet das Transitabkommen in einer Stellungnahme als teuer, wirkungslos und unverhältnismässig. Für sie wäre ein Transitabkommen reine Symbolpolitik.