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Harsche Kritik der Finanzkontrolle: Armasuisse nimmt Stellung zur Pannendrohne

Die Eidgenössische Finanzkontrolle veröffentlicht einen geharnischten Bericht über die Beschaffung neuer Aufklärungsdrohnen. Rüstungschef Urs Loher widerspricht in zentralen Punkten.

Die Liste der Baustellen in der Schweizer Sicherheitspolitik ist lang. Am Mittwochabend folgt der nächste Knall: Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) veröffentlicht drei Berichte zu Topthemen aus dem Verteidigungsdepartement (VBS). Am Morgen davor nahm Urs Loher, Chef des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse), mit seiner Entourage Stellung vor den Medien und erläuterte die Hintergründe.

Um was geht es?

Um drei Projekte: ein sicheres Kommunikationsnetz für kritische Infrastrukturen in Krisenzeiten (SDVN+), eine Digitalisierungsplattform der Armee (NDP) und neue Aufklärungsdrohnen aus Israel. Zu reden geben aktuell vor allem Letztere.

Warum?

Das Aufklärungssystem ADS15 ist eine leidige Geschichte. 2008 startete Armasuisse die Beschaffung unbemannter Drohnen vom Typ Hermes 900. Ein Einsatz war geplant per 2020 – nun dürfte es mindestens 2029 werden, bis die Drohnen tatsächlich in der Luft sind. Noch immer sind von den 6 Drohnen erst 5 ausgeliefert, funktionsfähig ist keine. Gerade aktuell sind sie wieder gegroundet, weil es in Indien einen Zwischenfall mit einer Hermes 900 gab.

Was kritisiert die EFK?

Genauer müsste man fragen: Was kritisiert die EFK dieses Mal? Bereits in zwei Berichten haben die Finanzkontrolleure eklatante Mängel bei dieser Beschaffung festgestellt. Die Schweiz hat beim israelischen Hersteller Elbit eine Drohne bestellt, die sowohl für zivile Aufgaben (zum Beispiel im Grenzschutz) wie auch für militärische Zwecke verwendet werden kann. Herzstück dabei ist eine Funktion namens DAA, was für «detect and avoid» steht. Die Drohne soll selbstständig andere Flugobjekte erkennen und ausweichen. Das Problem: Für einen militärischen, kontrollierten Luftraum gibt es das. In einem zivilen Luftraum mit kleinen Flugkörpern wie Hängegleitern oder Segelflugzeugen gibt es weltweit aber kein System, das die Anforderungen erfüllt. Dies sollte ausgerechnet die krisengeschüttelte Ruag MRO entwickeln. Die Schweiz bestellte also nicht nur eine völlig neue Drohne, sondern auch ein «Swiss Finish», das die Aviatik revolutionieren soll.

Ist dies das einzige Problem?

Nein. Die Schweiz verlangte auch noch den Einbau eines Dieselmotors, ein GPS-unabhängiges Landesystem und eine Enteisungsanlage. Denn in Israel kommt die Drohne vor allem über Wüstengebiet zum Einsatz. Im Bericht der EFK steht der bemerkenswerte Satz: «Das Projekt hat den Charakter eines Entwicklungsprojekts erhalten.» Will heissen: Noch funktioniert gar nichts. Vor diesem Hintergrund befürchtet die Finanzkontrolle weitere Verzögerungen und vor allem Mehrkosten in ungeahnter Höhe, weil die unbemannten Drohnen in der Realität von bemannten Flugzeugen begleitet werden müssen.

Und wie sieht das Armasuisse?

Armasuisse anerkennt weitestgehend, dass das Projekt aus dem Ruder gelaufen ist, und gelobt, künftig mehr von der Stange zu kaufen. Es sei «zutreffend und unbestritten, dass im Projekt dringender Handlungsbedarf besteht», sagt Rüstungschef Urs Loher. Die Stelle für ein externes Risikomanagement werde deshalb auch neu besetzt.

Aber?

Gleichzeitig widerspricht Armasuisse der EFK in zentralen Punkten: Die technische Entwicklung hält Loher bis 2026 für abgeschlossen, die anschliessende Zertifizierung erfolge dann per 2029. Finanziellen Mehraufwand gegenüber dem vom Parlament beschlossenen Zahlungsrahmen sieht er nicht. Im November 2024 seien sich Ruag und Armasuisse handelseinig geworden: Das Projekt DAA werde planmässig fortgesetzt, ohne dass dem Bund weitere zusätzliche Kosten entstehen. 300 Millionen Franken also soll die Beschaffung kosten, 50 Millionen Franken mehr als 2008 vorgesehen. Einen Abbruch der Übung schliesst Loher aus.

Was ist mit der verbleibenden Drohne?

Auf diese wartet die Schweiz noch immer. Die schrittweise Auslieferung ist ebenfalls ein Streitpunkt zwischen Finanzkontrolle und Armasuisse. Die Aufseher kritisieren, dass die Schweiz mit der Teilauslieferung einer Drohne warten muss, die gar noch nicht voll einsatzfähig ist. Armasuisse hält dagegen, dass die Schweiz dadurch bereits Erfahrungen mit der Drohne sammeln konnte – und so zusätzliche Mängel festgestellt hat.

Hatte die instabile Lage in Nahost einen Einfluss auf die Beschaffung?

Ja, und zwar ganz konkret aktuell, aber auch generell. Die aktuelle Sicherheitslage seit Ausbruch des Gaza-Kriegs hat die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Firma Elbit verkompliziert. Loher spricht aber inzwischen auch von einer grundsätzlich anderen Herangehensweise zwischen der Schweiz und Israel: Israel, das einer ständigen Bedrohungslage ausgesetzt ist, habe einen ganz anderen Qualitätsanspruch an ein neues Kriegsgerät. Was nützt, wird bald eingesetzt. Die Schweiz hingegen plant in anderen Horizonten – und pocht dabei auf regulatorische Details.

Kommen all diese Vorwürfe überraschend?

Nein. Seit 2015 gibt es Experten, die sagen: Eine Zulassung für ein solches Schweizer Modell sei sehr schwierig zu erreichen. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) wies damals darauf hin, dass bei der Einführung einer solchen Drohne die Entwicklung anderswo weiter fortgeschritten sei. Vieles deutet im Moment darauf hin, dass genau dieses Szenario eintritt.

Was ist mit den anderen beiden Projekten?

Inhaltlich sieht die Finanzkontrolle sowohl das Kommunikationsnetz wie auch die Digitalisierungsplattform auf Kurs. Bei beiden zeichnen sich jedoch Kostenüberschreitungen und Verspätungen ab. Wie diese genau aussehen, soll nun analysiert werden.